Der Mondscheingarten
Mischung aus einheimischer Vegetation und niederländischer Gartenkunst war. Lilly musste schmunzeln, als sie sah, dass es sogar ein Beet mit wunderschönen Tulpen gab.
Die folgenden Bilder waren wenig interessant. Offenbar war das Album weniger ein persönliches Familienalbum als eine Art Fotodokumentation über die Geschichte des Hauses. Der Empfang eines Sultans wurde hier abgebildet, verschiedene höchst wichtig aussehende Männer, die mit dem Gouverneur wahrscheinlich Zimtzigaretten rauchten, offizielle Anlässe und einmal sogar eine meterhohe Tanne, die von wer weiß wo importiert worden war, um damit das Weihnachtsfest zu begehen.
Das nächste Foto ließ ein Prickeln durch Lillys Magengrube rinnen. Die Frau in der Mitte war unverkennbar Rose Gallway. Die Fotografie war eine Variation des Bildes, das sie in der Zeitung gesehen hatte. Offenbar hatte der Gouverneur – Lilly war davon überzeugt, dass ihm das Album gehörte – um ein Bild für sich gebeten.
Leider gab es auf den folgenden Seiten nur wenig Aufschlussreiches. Noch einmal tauchte Rose auf, wieder zwischen ein paar Leuten, die sich ganz offensichtlich mit ihr schmücken wollten. Es folgten erneut Szenen mit wichtigen Männern, nach einer Weile ein Foto des gesamten Haushaltes, wobei diesmal bei der Tochter des Gouverneurs ein Mann und ein Kind hinzugekommen waren.
Als sie weiterblätterte, bemerkte sie unter dem halbdurchsichtigen, pergamentartigen Zwischenblatt etwas Dickes, das keine Fotoplatte sein konnte. Vorsichtig hob sie das Blatt und sah, dass zwischen die Seiten ein schmales schwarzes Heft gepresst war. Ganz offensichtlich gehörte es nicht dorthin, doch mit den Jahren, die es in dem Album vergessen worden war, war es ein Teil desselben geworden. Vorsichtig löste Lilly das Heftchen und schlug es auf.
Zwischen den Fotoplatten war es vor dem Durchweichen bewahrt worden, das Papier sah noch gut aus, und obwohl die Tinte ein wenig verlaufen war, erkannte man die Wörter noch sehr gut.
Verfasst war das Heftchen in Englisch, und Lilly stockte der Atem, als sie erkannte, wer der Verfasser war.
Dies ist das Tagebuch meiner Sühne. Rose Gallway.
Die Worte auf der ersten Seite des Heftes brannten sich regelrecht in Lillys Hornhaut. Rose Gallway hatte ein Tagebuch geführt! Und sie sprach von Sühne! Was sich dahinter wohl verbarg? Und wie kam es hierher? Hatte man sämtliche Dokumente, die man nach dem Abziehen der niederländischen Kolonialherren gefunden hatte, hier gelagert?
Verstohlen blickte Lilly zu Verheugen, der sich gerade durch eine neue Kiste wühlte. Am liebsten hätte sie ihm das Büchlein gleich gezeigt, aber etwas hielt sie davon ab. Vielleicht war es undankbar, doch bevor sie ihm diesen Schatz zeigte, wollte sie erst einmal selbst darin lesen, ganz allein, völlig intim mit der Frau, die einst ihre Geige besessen hatte.
Außerdem, wie würde er reagieren, wenn sie ihm eröffnete, es mitnehmen zu wollen? Das hier waren Archivalien, und sie mochte sich höllisch strafbar damit machen, wenn sie es einfach so an sich nahm. Aber dieses Heftchen wäre für Gabriels Music School eine wahre Sensation!
Da der Zahnarzt noch immer in seine Kiste versunken war, schob Lilly sich das Heftchen kurzerhand unter ihr Shirt. Ich entscheide später, was ich damit mache, dachte sie. Erst einmal werde ich es lesen.
»Na Lilly, haben Sie was gefunden?«, tönte es plötzlich zu ihr herüber. Lilly durchzog ein Schreck. Hatte er bemerkt, dass sie das Heftchen eingesteckt hatte?
»Das kann man wohl sagen«, entgegnete sie ein wenig unsicher und griff nach dem Album. Das Heftchen nahm sehr schnell ihre Körpertemperatur an, und als sie sich erhob und zum anderen Ende des Raumes ging, merkte sie es schon nicht mehr.
»Ob man etwas dagegen hat, wenn ich das hier mitnehme?«, fragte Lilly und reichte Verheugen das Album.
Dieser stieß einen bewundernden Pfiff aus. »Wenn das kein Fund ist! Es wundert mich, dass das noch keiner haben wollte. Immerhin ist es ein wichtiges Zeitdokument.«
Das beantwortete Lillys Frage. »Dann ist es also doch besser, ich lasse es hier.«
»An Ihrer Stelle würde ich es tun. Allerdings wird niemand etwas dagegen haben, wenn Sie diese Fotos kopieren und mitnehmen.«
Lilly nickte. »Haben Sie irgendwas Interessantes gefunden?«
»Keine Ahnung, ob es interessant ist, mir sah das alles aus wie Rechnungsbücher. Der Gouverneur hat hauptsächlich Zeitungen und Magazine hinterlassen, wie mir scheint.«
»Das wäre
Weitere Kostenlose Bücher