Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
Schwachsinnigen anvertrauen.«
»Ich versichere Ihnen, Wachtmeister Morgan, ich bin völlig zurechnungsfähig, so wie ich das Wort verstehe, vielleicht die zurechnungsfähigste Person in diesem Zimmer, denn ich leide nicht an Illusionen. Sehen Sie, ich habe mich befreit von der Verstellung, die die meisten Menschen belastet. Ganz wie unsere Beute führe ich nicht mit Gewalt Ordnung ein, wo keine ist; ich gebe nicht vor, dass es mehr gibt als das, was es gibt, oder dass Sie und ich mehr sind, als wir sind. Das ist das Wesen ihrer Schönheit, Morgan, die urtümliche Reinheit ihres Seins, und der Grund, weshalb ich sie bewundere.«
»Sie bewundern! Und da behaupten Sie, keinen Defekt zu haben?«
»Es gibt viel, was wir von den Anthropophagen lernen können. Ich bin ebenso sehr ihr Schüler, wie ich ihr Feind bin.«
»Sind wir hier fertig?«, wollte Morgan von Warthrop wissen. »Ist das alles, oder müssen wir noch mehr von diesem Gefasel über uns ergehen lassen?«
»Robert hat recht; es ist schon sehr spät«, sagte der Monstrumologe. »Es sei denn, Sie haben noch mehr Gefasel auf Lager, John.«
»Sicher, aber das kann warten.«
An der Haustür wandte sich Morgan noch einmal an Warthrop. »Fast hätte ich’s vergessen – Malachi …«
»Will Henry.« Der Doktor deutete in Richtung Treppe.
Morgan überlegte es sich anders und sagte: »Nein. Wahrscheinlich schläft er schon. Wecke ihn nicht auf. Ich werde morgen früh jemand schicken, der sich um ihn kümmert.« Seine Augen wanderten zu der Wunde auf der Stirn des Doktors. »Es sei denn, Sie finden –«
»Ist schon in Ordnung«, unterbrach Warthrop ihn. Ihn schien das alles nicht mehr zu kümmern. »Er kann über Nacht dableiben.«
Morgan nickte und atmete tief die kühle Nachtluft ein. »Was für ein sonderbarer Mensch dieser Brite ist, Warthrop.«
»Ja. Überaus sonderbar. Aber für die Aufgabe besonders geeignet.«
»Ich bete darum, dass Sie recht haben. Um unser aller willen.«
Wir wünschten dem Wachtmeister Gute Nacht, und ich folgte dem Doktor zurück in die Bibliothek, wo Kearns es sich in Warthrops Sessel bequem gemacht hatte und an seinem kalten Tee nippte. Er lächelte breit und hob die Tasse. Die Maske saß wieder perfekt.
»Ein unausstehlicher kleiner Quertreiber, nicht wahr?«, fragte er, wobei er sich auf den Wachtmeister bezog.
»Er hat Angst«, antwortete Warthrop.
»Das sollte er auch.«
»Sie haben unrecht, wissen Sie. Mit meinem Vater.«
»Wieso, Pellinore? Weil ich nicht beweisen kann, dass Sie unrecht haben?«
»Wenn wir seinen Charakter einmal einen Moment lang außer Acht lassen, dann ist Ihre Theorie kaum befriedigender als meine. Wie soll er es denn geschafft haben, sie über einen so langen Zeitraum zu verstecken? Oder sie mit ihrer schauerlichen Kost zu versorgen? Selbst wenn man Ihnen die ungeheuerliche Behauptung zugestünde, dass Alistair einer so himmelschreienden Unmenschlichkeit fähig war, woher soll er denn die Opfer genommen haben? Wie konnte er die Anthropophagen zwanzig Jahre lang mit Menschenfutter versorgen, ohne erwischt zu werden oder auch nur den leisesten Verdacht zu erregen?«
»Sie überschätzen den Wert menschlichen Lebens, Pellinore. Das haben Sie schon immer getan. Überall längs der Ostküste wimmeln die Städte von Gesindel, von Zufluchtsuchenden, die aus Europas Elendsvierteln angespült werden. Es wäre keine Herkulesarbeit, Dutzende von ihnen hierher zu locken, indem man ihnen Arbeit verspricht oder andere Anreize bietet, oder, wenn das nicht funktioniert, sie einfach mit der Hilfe gewisser Männer, die nicht an Ihrem seltsamen romantischen Idealismus leiden, aus dem Getto zu entführen. Glauben Sie mir: Die Welt ist voller solcher Menschen! Selbstverständlich ist auch durchaus möglich – wenn auch, würde ich sagen, nicht wahrscheinlich –, dass er seine Haustiere überredet hat, ihre Ernährungsweise auf eine niedrigere Lebensform umzustellen, wenn wir einmal, wie Sie es vorschlagen, davon ausgehen, dass das sein Ziel war. Es ist möglich, dass sie eine besondere Vorliebe für Hühner entwickelt haben. Möglich, allerdings nicht sehr wahrscheinlich.«
Warthrop hatte ihm kopfschüttelnd zugehört. »Ich bin nicht überzeugt.«
»Und ich bin nicht betroffen. Aber ich bin neugierig. Wieso sträuben Sie sich gegen eine Erklärung, die weitaus mehr Sinnmacht als Ihre eigene? Wollen Sie wirklich erst ausrechnen, Pellinore, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie durch puren
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