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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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die geheimnisvolle, verhüllte Truhe verstaut waren, und sah immer wieder nach oben. Gegen drei am Nachmittag, als die letzten Nägel eingeschlagen wurden, setzte Nieselregen ein, der auf den Kneifer des Wachtmeisters tröpfelte, was diesen dazu zwang, sich jenen alle zwei Minuten von der Nase zu reißen, um ihn an der Weste abzuwischen. Der Regen schlug sich sowohl auf seinem Tabak als auch auf seiner Laune nieder, denn seine Pfeife weigerte sich anzubleiben.
    Kearns bemerkte es und sagte: »Wenn das hier vorbei ist, dann werde ich Ihnen ein Pfund vom feinsten Perique schicken, Morgan. Weit besser als dieser Karnickeldreck, den Sie da rauchen.«
    Der Wachtmeister beachtete ihn nicht. »Pellinore, ich mache mir Sorgen wegen der Jungen.« Er nickte zu Malachi und mir hin. »Ich meine, wir lassen sie entweder hier in der Kirche oder schicken sie zurück in Ihr Haus. Es dient keinem Zweck –«
    »Im Gegenteil!«, fiel ihm Kearns ins Wort. »Es dient meinem Zweck.«
    »Vielleicht haben Sie recht, Robert«, räumte Warthrop widerstrebend ein.
    »Ich werde nicht gehen!«, erklärte Malachi ärgerlich. »Ich bin kein Junge mehr, und ich werde nicht gehen!«
    »Ich will deswegen kein schlechtes Gewissen haben, Malachi«, sagte der Wachtmeister nicht unfreundlich.
    » Sie wollen nicht?«, schrie Malachi geradezu. »Was ist mit meinem Gewissen?«
    »Aber sicher!« Kearns lachte. »Du hättest in diesem Zimmer bleiben sollen, um dir von ihr den Kopf von den Schultern reißen zu lassen, nachdem sie damit fertig war, deiner kleinen Schwester jeden Knochen im Körper zu brechen. Was für ein Bruder bist du denn nur?«

    Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sich Malachi auf seinen Peiniger. Der Doktor fing ihn ab, als er ausholte, um Kearns ins Gesicht zu schlagen, und umschlang seinen Rumpf in grimmiger Umarmung.
    »Deine Entscheidung war richtig, Malachi!«, zischte Warthrop ihm ins Ohr. »Du hattest die moralische Pflicht –«
    »Ich würde nicht von moralischer Pflicht sprechen, wenn ich Sie wäre, Pellinore«, warnte Kearns ihn mit vor Vergnügen funkelnden Augen. »Und ohnehin ist diese absurde Vorstellung der Unveränderlichkeit sittlichen Verhaltens eine ganz menschliche Konstruktion, die schrullige Erfindung der Masse. Es gibt keine Moral außer der Moral des Moments.«
    »Ich fange an zu verstehen, weshalb Sie Vergnügen daran finden, sie zu jagen«, sagte Morgan angewidert. »Sie haben eine Menge mit ihnen gemein.«
    Malachi erschlaffte in den Armen des Mannes, den er in der Nacht zuvor um ein Haar ermordet hätte. Seine Knie gaben nach, und nur die Arme des Doktors hielten ihn davon ab, auf dem nassen Boden zusammenzubrechen.
    »Ja doch, Wachtmeister, das ist wahr«, pflichtete Kearns ihm bei. »Wir sind ganz wie sie: Wahllos töten wir, beherrscht von Trieben, die wir uns kaum eingestehen und noch weniger verstehen, rücksichtslos territorial und mörderisch missgünstig – der einzige wesentliche Unterschied ist der, dass sie unsere Könnerschaft in Sachen Scheinheiligkeit erst noch meistern müssen, jener Gabe unseres überlegenen Intellekts, die es uns ermöglicht, einander scharenweise abzuschlachten, und das meist unter der Schirmherrschaft eines beifälligen Gottes!« Er wandte sich an Malachi. »Deshalb Kopf hoch, Junge! Du sollst deine Rache bekommen; du sollst die ›moralische‹ Entscheidung, die dir die Seele entzweireißt, wiedergutmachen können. Und heute Nacht, wenn du vor deinen Gott trittst, kannst du ihm offen in die Augen sehen und sagen: ›Dein Wille geschehe!‹«
    Er wirbelte auf dem Absatz herum und marschierte davon.Morgan drehte den Kopf zur Seite und spuckte deutlich sichtbar aus. Warthrop redete auf Malachi ein, er solle ruhig bleiben; jetzt sei nicht der Zeitpunkt, sich seinen Schuldgefühlen hinzugeben oder dem Selbstmitleid zu frönen, sagte er ihm.
    »Sie können mich nicht ausschließen«, lautete Malachis Antwort. »Nichts kann das.«
    Warthrop nickte. »Und niemand wird das.« Über die Schulter des Jungen hinweg sah er den Wachtmeister an und sagte: »Geben Sie ihm ein Gewehr, und wir werden einen Platz für ihn finden, Robert.«
    »Und Will Henry? Ihn wollen Sie doch bestimmt nicht mitnehmen.«
    Ich redete los und konnte kaum glauben, welche Worte da aus meinem Mund kamen, als stammten sie von einer kühneren Seele: »Schicken Sie mich nicht weg, Sir. Bitte!«
    Seine Antwort wurde von einem kleinen und traurigen Lächeln angekündigt.
    »Ach, Will Henry! Nach allem, was wir

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