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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Pfad – einen Weg konnte man ihn kaum noch nennen – wurde schließlich eben, die Bäume wichen zurück, und sehr zu meiner und meiner kleinen Stute Erleichterung kamen wir auf einer offenen, wenn auch verwilderten, vom Mond beschienenen Rasenfläche heraus.
    Ungefähr hundert Yards weiter vor uns stand ein Haus im Federal Style, weiß mit schwarzen Fensterläden und aufragenden Säulen, die die Vorderfront bewachten. Die Fenster waren dunkel, und über dem Anwesen lag eine Atmosphäre der Verlassenheit, als wären seine Bewohner schon vor langer Zeit in freundlichere Breiten geflohen. Mein erster Gedanke war der, dass das Sanatorium im Anschluss an die Wiederinternierung von Captain Varner drei Jahre zuvor geschlossen und aufgegeben worden sein musste. Ich warf einen Blick auf den Doktor, dessen Mund grimmig entschlossen war und dessen dunkle Augen mit einer inneren Glut hinterleuchtet zu sein schienen.
    »Will Henry«, sagte er leise, als wir auf das Haus zuritten, »du wirst nicht reden. Du wirst niemandem direkt in die Augen sehen. Sollte dich jemand ansprechen, wirst du nichts sagen. Ignoriere sie. Sprich sie nicht an oder reagiere auf irgendeine Weise auf sie. Nicht einmal mit einem Nicken oder einem Zwinkern. Hast du mich verstanden?«
    »Ja, Sir.«
    Er seufzte. »Ich glaube, ich hätte es lieber mit einem Dutzend Anthropophagen als mit den armen Seelen in diesen Mauern zu tun!«
    Bei näherer Betrachtung schien das Haus eher grau als weiß zu sein; es war wohl einmal weiß gewesen, vor vielen Jahren, aber die Farbe hatte abzublättern begonnen. Lange Streifen davon hingen von den schimmeligen Brettern. Die Fenster waren schon monatelang nicht mehr geputzt worden; zitternde Spinnennetze hingen in den Ecken. Hätte ich ein mehr metaphysisch veranlagtes Gemüt gehabt, so hätte ich angenommen, ein Spukhaus vor mir zu haben, aber ebenso wie der Monstrumologe verwarf auch ich die Vorstellung von Gespenstern und anderen übernatürlichen Phänomenen. Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt, aber diese Dinge waren, wie die Anthropophagen, ganz und gar real und vollauf tauglich, unser kurioses und rätselhaftes Bedürfnis nach Schrecken und Entsetzen zu befriedigen, recht schönen Dank.
    Der Doktor klopfte mit dem Knauf seines Spazierstocks, einer exquisiten Jadeausführung eines zähnefletschenden Gargoyls, energisch an die Tür. Es gab nicht sofort eine Antwort. Warthrop klopfte noch einmal, drei kurze Schläge, eine Pause, dann noch drei: poch, poch, poch … poch, poch, poch.
    Stille, bis auf den Wind, der in den Bäumen wisperte, und das trockene Rasseln der Blätter vom vergangenen Herbst, die über die verwitterten Bretter der durchgetretenen Veranda huschten. Der Doktor stützte sich mit den Händen auf seinen Spazierstock und wartete mit der Geduld eines Buddhas.
    »Es ist verlassen«, flüsterte ich, ein bisschen erleichtert.
    »Nein«, sagte er. »Wir werden nicht erwartet, das ist alles.«
    Auf der anderen Seite der Tür nahm ich die schlurfenden Schritte einer mühsamen Annäherung wahr, als käme jemand sehr Altes, um der beharrlichen Aufforderung des Doktors Folge zu leisten. Ich hörte das metallische Ächzen mehrerer Riegel, die zurückgezogen wurden, und dann öffnete die Tür sich einen Spalt weit, das flackernde Licht einer Lampe ergoss sich über die Veranda, die Tür öffnete sich noch etwas weiter, und im Eingang stand eine verhutzelte, schwarz gekleidete Frau, die mit knorrigen Knöcheln die Lampe umklammerte und hochhielt, um unsere Gesichter zu beleuchten.
    »Keine Besucher nach neun!«, krächzte die Alte mit zahnlosem Mund.
    »Dies ist kein Krankenbesuch«, erwiderte Warthrop.
    »Keine Besucher nach neun!«, blaffte sie barsch und hob dabei die Stimme, als sei der Doktor schwerhörig. »Keine Ausnahmen!«
    »Vielleicht könnten Sie in meinem Fall ja doch eine machen«, sagte der Doktor ruhig und hielt ihr seine Karte hin. »Sagen Sie Dr. Starr, dass Pellinore Warthrop hier ist, um ihn zu sprechen.«
    »Dr. Starr hat sich für die Nacht zurückgezogen«, entgegnete sie, »und strikte Anweisung gegeben, dass er nicht gestört werden darf.«
    »Gute Frau, ich versichere Ihnen, dass es nicht der Wunsch des Doktors wäre, dass Sie uns abweisen.«
    »Der Doktor schläft.«
    »Dann wecken Sie ihn auf!«, rief der Doktor, der allmählich die Geduld verlor. »Meine Angelegenheit ist von äußerster Dringlichkeit!«
    Sie warf einen kurzen

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