Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist
ausgetrockneter Fliegen scharten. Über diesen schwirrte eine Versammlung ihrer noch lebenden Verwandten herum oder krabbelte über das Glas. Meine Augen begannen zu tränen, denn der Geruch nach Bleiche war überwältigend, und ich deduzierte den Grund dafür, dass der Doktor unten hingehalten worden war: Mrs. Bratton hatte Zeit zum Scheuern und Desinfizieren gebraucht, bevor wir Bekanntschaft mit Captain Varner schließen durften.
Er lag auf dem Bett unter mehreren Lagen von Decken und Leintüchern, deren oberstes so weiß und knitterlos wie ein Leichentuch war, sodass nur Kopf und Hals von ihm zu sehen waren. Das Bett war nicht groß, aber seine enorme Körperfülle ließ es noch kleiner erscheinen. Ich hatte ihn mir als einen gebrechlichen und verschrumpelten alten Mann vorgestellt, nach zwanzig Jahren Gefangenschaft und Entbehrung zu einer bloßen leeren Schale von Menschsein dahingesiecht. Stattdessen lag vor mir ein Mann von monströsen Proportionen, der, ichwage es zu behaupten, mehr als vierhundert Pfund wog, gebettet sozusagen in einer Art Trog, den seine überwältigende Korpulenz in der Matratze erzeugte. Sein Kopf war gleichermaßen groß; im Verhältnis zu ihm wirkte das Kissen, auf dem er ruhte, so groß wie ein Nadelkissen. Die Augen verloren sich in Falten gräulichen Fleischs; die Nase war scharlachrot und knollenförmig und erhob sich zwischen den eingefallenen Wangen wie eine rote Kartoffel, die auf einer ausgedörrten Landschaft liegt; und der Mund war ein dunkler, zahnloser Tunnel, in dem die geschwollene Zunge rastlos über kahles Zahnfleisch glitt.
Der Doktor trat an sein Krankenbett. Die alte Frau drehte den Schlüsselring nervös in ihren ausgezehrten Klauen. Das Klimpern der Schlüssel, der schwere Atem des Leidenden und das Summen der Fliegen am Fenster waren die einzigen Laute in dem winzigen, bedrückend engen Raum.
»Ich würde ihn nicht anfassen!«, warnte sie. »Captain Varner hasst es, angefasst zu werden. Nicht wahr, Captain Varner?«
Er antwortete nicht. Obwohl seine Augen in ihren fleischigen Furchen kaum zu erkennen waren, sah ich, dass sie offen waren. Seine Zungenspitze, fleckig grau wie seine Haut, feuchtete seine Lippen an. Sein Kinn, nichts weiter als ein knöchelgroßer Knorren zwischen seinem Hals und seiner Unterlippe, glänzte vor Speichel.
Einen langen Moment lang betrachtete Warthrop dieses elende Objekt seiner Suche, ohne etwas zu sagen, und erlaubte keinem Mienenspiel, seine Empfindungen zu verraten. Endlich schien er den Bann abzuschütteln und wandte sich abrupt an die alte Frau.
»Lassen Sie uns allein!«, sagte er.
»Das darf ich nicht«, entgegnete sie schroff. »Es ist gegen die Bestimmungen.«
Er wiederholte den Befehl, ohne die Stimme zu heben, aber bemaß die Worte, als wäre es ihr irgendwie nicht gelungen, sie zu verstehen.
»Lassen … Sie … uns … allein.«
Sie sah etwas in seinen Augen, und was immer sie dort sah, schüchterte sie ein, denn auf einmal sah sie weg, wackelte wütend mit ihren Schlüsseln, den Symbolen ihrer totalen Autorität, und sagte: »Der Doktor wird hiervon erfahren.«
Warthrop hatte sich bereits wieder dem auf den Strand gesetzten Behemoth zugewandt. Im Flur verklang das Geräusch der klimpernden Schlüssel; sie hatte die Tür angelehnt gelassen. Er wies mich an, sie zu schließen. Dann, während ich mich mit dem Rücken gegen ihre tröstliche Robustheit drückte, beugte Warthrop sich über das Bett, bis sein Gesicht dicht über dem aufgedunsenen unter ihm war, und sagte mit lauter, deutlicher Stimme: »Hezekiah Varner! Captain!«
Varner reagierte nicht. Seine Augen fixierten weiter die Decke; sein Mund stand offen; seine Zunge fegte ruhelos über die Unterlippe und kehrte dann in die schattigen Tiefen des zahnlosen Schlunds zurück. Aus tiefster Brust stieg ein Ton empor, irgendetwas zwischen einem Brummen und einem Ächzen. Doch bis auf die unruhige Zunge rührte er keinen Muskel, falls überhaupt noch irgendeiner der unter den Fettrollen begrabenen Muskeln wirksam war.
»Varner, hören Sie mich?«, fragte der Doktor. Mit angespannten Schultern und unbewegter Miene wartete er auf eine Antwort, während hinter ihm an der Fensterscheibe die Fliegen hektisch umherkrabbelten. Das Zimmer war stickig und stank nach Bleiche. Ich atmete so flach ich konnte und überlegte, ob der Doktor wohl etwas dagegen hätte, wenn ich das Fenster einen Spalt weit öffnete, um frische Luft hereinzulassen.
Warthrop hob die
Weitere Kostenlose Bücher