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Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist

Titel: Der Monstrumologe - Der Monstrumologe - The Monstrumologist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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ausgeweideter Rumpf, der auf den Überbleibseln der zertrümmerten Fensterscheibe lag, ansonsten unversehrt war. Die blutbespritzten Spitzenvorhänge flatterten in der wohltuenden Brise, und hinter dem gezackten Glas, das noch am Fensterrahmen hing, konnte ich die blühende Frühlingswiese in der Morgensonne schimmern sehen.
    »Der Ort des Eindringens?«, grübelte Morgan.
    »Möglicherweise«, antwortete der Doktor, während er sich bückte, um den Rahmen und die Glasscherben, die sich darunter gesammelt hatten, in Augenschein zu nehmen. »Allerdings glaube ich es nicht. Der improvisierte Notausgang unseres Zeugen, lautet meine Vermutung.«
    Als Nächstes führte Morgan uns durch die Diele, wo wir, nachdem wir um eine Ecke gebogen waren, das vierte Opfer fanden, in ähnlicher Weise zerstückelt und ausgeweidet, der Schädel eingeschlagen und ausgehöhlt, Stückchen und Stücke der lebenswichtigen Organe auf dem Boden verstreut und mit Blut an die Wände geklebt. Und hier in diesem Flur, auf den blutigen Dielen, entdeckten wir den ersten Beweis für die kürzliche Anwesenheit der Anthropophagen: Abdrücke ihres Vorbeikommens im gerinnenden Blut ihrer Beute. Beim Anblick dieser Fußabdrücke stieß der Doktor einen Jubelschrei aus, fiel auf Hände und Knie und verbrachte mehrere aufgeregte Sekunden damit, den Fund zu begutachten.
    »Acht bis zehn, mindestens«, murmelte Warthrop. »Weibchen, allerdings könnte das hier und das hier ein männliches Jungtier sein.«
    » Weibchen? Weibchen, sagen Sie? Mit Abdrücken, die größer sind als die eines ausgewachsenen Mannes?«
    »Ein voll entwickeltes Weibchen misst sieben Fuß von der Sohle bis zur Schulter.«
    »Ein voll entwickeltes Weibchen wovon , Warthrop?«
    Der Doktor zauderte einen halben Atemzug lang, ehe er sagte: »Eine menschenartige Spezies von Fleischfressern mit Namen Anthropophagi .«
    »Anthro … popi …«
    »Anthro-po -pha gi«, korrigierte der Doktor. »Plinius gab ihnen den Namen Blemmyae , aber Anthropophagi ist die anerkannte Bezeichnung.«
    »Und wo in Gottes Namen sind sie hergekommen?«
    »Sie sind auf dem afrikanischen Kontinent und auf bestimmten Inseln vor der Küste Madagaskars heimisch«, entgegnete der Doktor zurückhaltend.
    »Das ist himmelweit von Neuengland entfernt«, bemerkte der Wachtmeister trocken und wartete mit zusammengekniffenen Augen auf die Antwort des Doktors.
    »Robert, Sie haben mein Wort als Mann der Wissenschaft und Ehrenmann, dass ich nichts mit ihrem Auftauchen hier zu tun habe!«, sagte der Doktor vorsichtig.
    »Und Sie haben mein Wort, Warthrop, dass es als Mann des Gesetzes meine Pflicht ist herauszufinden, wer, falls irgendwer, für dieses Massaker verantwortlich sein könnte.«
    »Ich bin nicht dafür verantwortlich«, erklärte der Doktor mit Bestimmtheit. »Ich bin von ihrer Anwesenheit hier genauso schockiert wie Sie, und ich werde der Sache auf den Grund gehen, Robert, darauf haben Sie mein Wort!«
    Morgan nickte, aber in seiner Stimme lagen Zweifel. »Es kommt mir einfach nur seltsam vor, Pellinore, dass solche monströsen Kreaturen ausgerechnet in der Stadt auftauchen sollen, in der der herausragende Experte des Landes – wenn nicht sogar der Welt – für solche Angelegenheiten ansässig ist.«
    Obwohl diese Worte auf mildeste Weise gesprochen wurden, bewirkte die Bemerkung des Wachtmeisters, dass der Doktor sich versteifte und seine Augen vor Empörung blitzten.
    »Nennen Sie mich einen Lügner, Robert?«, fragte er in tiefem, gefährlichem Ton.
    »Mein lieber Warthrop«, erwiderte Morgan, »wir kennen einander schon unser ganzes Leben lang. Auch wenn Sie der verschwiegenste Mensch sind, der mir jemals begegnet ist, und mir viel von dem, was Sie tun, ein Rätsel bleibt, habe ich doch nie gehört, dass sie eine bewusste Unwahrheit erzählt hätten. Sie sagen mir, dass ihre Anwesenheit hier ein Schock für Sie ist, und ich glaube Ihnen, aber mein Glaube ändert nichts an der Tatsache, dass dieses Zusammentreffen überaus merkwürdig ist.«
    »Diese eigentümliche Ironie hat mich nicht kaltgelassen, Robert«, gab mein Lehrmeister zu. »Man könnte sagen, dass Merkwürdigkeiten mein Geschäft sind, und dieser Fall hat mehr als genug davon.« Dann fügte er rasch hinzu, bevor der Wachtmeister ihm in der Angelegenheit weiter zusetzen konnte: »Lassen Sie uns die anderen sehen.«
    Wir gingen durch den Flur zurück in den vorderen Teil des Pfarrhauses. Hier, in dem gemütlichen Wohnzimmer, wo sich die Familie

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