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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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und wäre einfach so weggeflogen. Warthrop bemerkte ein Regenfallrohr, das im Abstand von einem Fuß am Fenster vorbeiführte.
    »Vielleicht ist er aufs Dach geklettert«, grübelte er.
    »Nach deiner eigenen Logik unmöglich«, legte von Helrung dar, »wenn er körperlich so beeinträchtigt war, wie du sagst, Pellinore.«
    Der Monstrumologe seufzte. »Du hast ihn doch untersucht, von Helrung. Du kennst so gut wie ich das Ausmaß seiner Beeinträchtigung. Ich finde es verwirrend, dass du darauf bestehst, die ungeheuerliche Erklärung der vernünftigen vorzuziehen. Was ist mit dir geschehen? Hast du irgendeine Gehirnverletzung erlitten? Stehst du unter dem Einfluss von einem Rauschgift? Wieso, Meister Abram, beharrst du auf diesem bizarren und überaus befremdenden Verhalten? Es ist ausgesprochen peinlich, dich vor den Behörden von Silberkugeln und Männern plappern zu hören, die wie Schwalben mit dem Wind dahinziehen.«
    »So wie die Zeiten sich ändern, müssen auch wir es, Pellinore, oder dem sicheren Untergang ins Auge blicken.«
    »Wissenschaft dreht sich um Fortschritt, von Helrung. DieDinge, von denen du redest, gehören unserer abergläubischen Vergangenheit an. Es ist ein Schritt zurück.«
    »Lass uns einfach sagen, dass es mehr Dinge im Himmel und auf Erden gibt, als deine Schulweisheit sich träumt.«
    Der Monstrumologe schnaubte verächtlich. Er rieb mit der Schuhsohle über den Bürgersteig; die Glasstücke des zerbrochenen Fensters knirschten unter seinem Fuß.
    »Meine Schulweisheit erstreckt sich nicht so weit, Meister Abram. Den Himmel überlasse ich den Theologen.«
    »Wenn das so ist, dann tust du mir leid, mein lieber Freund. Falls die Theologen recht haben – und ich hierin –, wirst du das noch bereuen.«
    Warthrop blickte ihn scharf an, lächelte jedoch wehmütig. »Das tue ich bereits«, sagte er.

EINUNDZWANZIG
    »Ich glaube nicht, dass wir ihn finden werden«

    Muriel Chanler erwartete uns im von helrungschen Salon. Sie stürzte auf Warthrop zu, warf die Arme um ihn und drückte ihr Gesicht an seine Brust. Warthrop murmelte ihren Namen. Er streichelte ihr kastanienbraunes Haar. Von Helrung drehte den Kopf weg und hüstelte höflich, womit er den Moment beendete. Schnell lösten sich die beiden aus den Armen des andern.
    »Haben sie ihn schon gefunden?«, fragte sie.
    »Falls nicht, so kann es nicht mehr lange dauern«, sagte der Doktor bestimmt. »In seinem Zustand kann er nicht weit gekommen sein.«
    »Muriel, Liebchen, vielleicht möchtest du dem kleinen Will etwas zu essen besorgen?«, schlug von Helrung vor. »Er kommt mir sehr blass vor.«
    »Ich bin nicht hungrig«, sagte ich. Ich war, das will ich zugeben, tief besorgt über den Geisteszustand des Doktors. So nah am Zusammenbruch hatte ich ihn seit jenen fürchterlichen Tagen in der Wildnis nicht mehr erlebt.
    »Ich hoffe, du hast recht«, sagte Muriel gerade zu ihm. »Und ich hoffe, Meister Abram hat unrecht. Ich hoffe, es war jemand anders, der Skala ermordet hat.«
    »Er hat mit praktisch allem unrecht«, meinte der Doktor. »Außer damit.«
    Sie wandte ihr reizendes Gesicht ab. Warthrop hob die Hand, als wollte er sie trösten, und ließ sie dann wieder sinken.
    »Ich werde dafür sorgen, dass er die bestmögliche Verteidigung bekommt, Muriel«, versprach er. »Und selbstverständlich werde ich zu seinen Gunsten aussagen. Ich werde dafür sorgen, dass man eine geeignete Unterbringung für ihn findet.«
    »Eine Irrenanstalt«, flüsterte sie.
    »Bitte, bitte, du musst stark sein, Muriel; du musst stark sein für John«, sagte von Helrung, während er sie beim Ellbogen nahm und zu einem Sessel führte. »Hier. Setz dich. Du wirst jetzt Onkel Abram zuhören, ja? Es gibt eine Zeit zu trauern, aber diese Zeit ist noch nicht! Was soll Bartholomew dir bringen? Möchtest du etwas Brandy? Ein Glas Sherry vielleicht?«
    Sie sah an ihm vorbei zu Warthrop. »Ich will meinen Ehemann.«
    Der Doktor verlangte, von Helrung unter vier Augen zu sprechen. Sie zogen sich ins Studierzimmer des alten Mannes zurück und schlossen die Tür. Nach einem Moment konnte ich ihren Streit hören; der Doktor machte ihm Vorwürfe, weil er der Polizei erzählt hatte, sie seien auf der Jagd nach einer mythologischen Bestie, wo doch ihr Ziel nichts weiter als ein schrecklich gestörter Mann war.
    Ich sah hinüber und stellte fest, dass Muriel mich durch ihre sich trocknenden Tränen anlächelte.
    »Was ist mit deinem Hals passiert, Will?«, fragte sie.
    Ich mied

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