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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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schrecklicher Gedanke, den eigenen Bruder zu küssen!«
    * * *
    Ich will nicht, dass Sie mich nach Hause bringen; mein Platz ist bei ihm.
    »Nun, William, was meinst du?«, fragte Mrs Bates.
    »Ich meine, der Doktor wird äußerst ungehalten sein, wenn er zurückkommt.«
    »Dr. Warthrop, falls er zurückkommt, wird in der Angelegenheit nichts zu sagen haben. Er hat keinen Rechtsanspruch auf dich.«
    »Dr. Warthrop, wenn er zurückkommt, wird sich um Rechtsansprüche nicht scheren.«
    »Humf!« , brummte Mr Bates. »Frech!«
    »Daran habe ich keinen Zweifel, William. Aber er würde sich deinen Wünschen fügen, glaube ich. Was ist dein Wunsch?«
    Meine Beute war in Sicht; ich brauchte bloß die Hand auszustrecken und sie zu packen. Der Junge mit dem großen Glas Milch in der Küche, die nach Äpfeln roch, und keine Dunkelheit, keine Dunkelheit irgendwo, keine Leichen in Aschentonnen, kein verkrustetes Blut an seinen Schuhsohlen, kein Brüllen seines Namens mitten in der Nacht, kein sich loswickelndes Ding, das antrieb und abwies, das wie der Donner flüsterte: ICH BIN . Nur der lachende Himmel und golden geschmückte Bäume und die Fülle der herabsingenden Sterne und der Junge mit seiner Milch und der Geruch der Erde, das unverminderte Ganze davon, wie Äpfel.

Fünfzehn
    »Was du siehst, sieht mein Gott«

    Der Kurator des Monstrumariums tippte mir mit dem höhnisch grinsenden Kopf seines Gehstocks auf die Brust und sagte: »Du darfst nichts berühren. Frag vorher! Immer vorher fragen!«
    Ich folgte ihm durch das Gewirr schwach erleuchteter Gänge, die vom Boden bis zur Decke vollgestopft waren mit ungeöffneten, aber noch zu katalogisierenden Kisten, vorbei an Mauern, die mit fünfzig Jahren Ruß überzogen waren und an denen die Spinnweben wie Girlanden hingen, sein Gehstock machte klack, klack, klack auf dem staubigen Boden, und dazu der Geruch nach Konservierungslösung, die Schärfe des Todes auf der Zunge, tiefe Lachen aus Schatten, schwache Halos gelben Gaslichts, und die schreckliche Einsamkeit, nur ein kleines Individuum in einem gewaltigen Raum zu sein.
    »Es sieht vielleicht nicht danach aus, aber es gibt für alles einen Platz, und alles ist an seinem Platz. Wenn ein Mitglied dich zufällig um Hilfe bei der Suche nach etwas bitten sollte, hilf ihm nicht ! Suche mich. Ich bin nicht schwer zu finden. Normalerweise bin ich an meinem Schreibtisch. Falls ich nicht an meinem Schreibtisch bin, sag ihm, er soll ein andermal wiederkommen. Sag ihm: ›Adolphus ist nicht an seinem Schreibtisch. Das bedeutet, dass er irgendwo im Monstrumarium, für heute nach Hause gegangen oder tot ist.‹«
    Wir machten an einer unbeschrifteten Tür halt – dem Kodesh Hakodashim. Geistesabwesend schüttelte er seinen Schlüsselbund. Es war mein Traum, bis hin zum Klirren der Schlüssel.
    »Niemand darf hier hinein«, sagte er. »Zutritt verboten!«
    »Das weiß ich.«
    »Gib keine Antworten! Noch besser, sprich gar nicht! Ich mag keine plappernden Kinder.«
    Oder stille Kinder , dachte ich.
    »Es ist der Nidus , nicht wahr?«, fragte Adolphus Ainsworth plötzlich. »Die ›dringende Angelegenheit‹. Ha! Warthrop hat es auf das Magnificum abgesehen. Schön, schön. Überrascht mich nicht. Der ewige Kämpfer gegen Windmühlenflügel. Aber was ist mit dir, Sancho Pansa? Wieso bist du nicht mit ihm gegangen?«
    »Er hat einen anderen an meiner statt mitgenommen.«
    »Einen anderen was ?«
    »Dr. von Helrungs neuen Schüler, Thomas Arkwright.«
    »Arschbreit?«
    »Arkwright!«, rief ich.
    »Bin dem Mann nie begegnet. Sein Schüler, sagst du?«
    »Er muss Sie mit ihm bekannt gemacht haben.«
    »Wieso muss er das? Gestern war das erste Mal seit sechs Monaten, dass ich den alten Furz gesehen habe. Er kommt nie hier runter. Wie auch immer, was kümmert mich von Helrungs Schüler oder sonst jemandes, was das betrifft? Hier ist die Chose, Master Henry: Du solltest dich nie mit einem Monstrumologen anfreunden, und ich kann dir auch sagen warum. Willst du wissen warum?«
    Ich nickte. »Ja, das würde ich gern.«
    »Weil sie nicht besonders lang da sind. Sie sterben!«
    »Jeder stirbt, Professor Ainsworth.«
    »Nicht wie Monstrumologen, so nicht. Nun, sieh mich an. Ich hätte einer sein können. Bin mehr als einmal gefragt worden, bei einem in die Lehre zu gehen, als ich jünger war. Hab immer nein gesagt, und ich will dir auch verraten wieso. Weil sie sterben. Sie sterben in hellen Scharen! Sie sterben wie Truthähne am Thanksgiving Day!

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