Der Montagsmann: Roman (German Edition)
dachte, du wärst schon im Bett. Tja, ich war gerade hier fertig und wollte auch eben verschwinden.«
»Dann kann ich mich ja noch kurz mit dir unterhalten.«
»Ach … Eigentlich bin ich unheimlich müde, es war ein langer, harter Tag, und …«
»Es dauert nicht lange«, sagte sie. Ihre Miene signalisierte Entschlossenheit, und Fabio hätte sich am liebsten auf der Stelle in Luft aufgelöst.
»Na gut«, sagte er, während er sich bereitmachte, beim kleinsten Anzeichen von Stress einen Notfall zu erfinden, der ihn zwang, unverzüglich von hier zu verschwinden. Genau genommen war der Notfall schon eingetreten, und der Stress sowieso. Sie war der Stress, mit ihren großen Unschuldsaugen, den rosigen Wangen und dem blonden Lockengeriesel. Wieso musste sie auch wie ein Engel aussehen? Na gut, vielleicht sahen ein paar Teile von ihr nicht gerade engelhaft aus und fühlten sich auch ganz irdisch und handfest an.
»… nicht verstehen«, sagte sie in anklagendem Tonfall.
Ihm ging mit Verzögerung auf, dass sie etwas gesagt hatte. Aha, deshalb hatten ihre Lippen sich bewegt. Hätte er nicht gerade im Zusammenhang mit ihren Lippen an etwas völlig anderes gedacht, wäre ihm das nicht entgangen.
Er räusperte sich. »Entschuldige, was hast du gesagt?«
»Ich sagte gerade: Du hast mich den ganzen Abend links liegen lassen. Und dass ich das nicht verstehe.« Sie zögerte. »Ich meine, es war doch … Bevor Harry kam … Ich fand es … Es war doch gar nicht so schlecht, oder?«
»Nein«, sagte er hastig. »Ich meine natürlich ja! Es war überhaupt nicht schlecht. Es war sogar eigentlich … gut.« Du lieber Himmel, welchen Schwachsinn gab er da eigentlich von sich? Musste er alles noch schlimmer machen?
»Ich dachte nur«, meinte sie.
»Was dachtest du?«
»Ähm … dass ich es vielleicht verlernt hätte und etwas verkehrt mache.« Sie blickte ihn geradewegs an. »Kam es dir verkehrt vor?«
Nein!, hätte er am liebsten ausgerufen. »Ja«, sagte er.
Sie wirkte bestürzt. »Wirklich? Warum?«
»Na ja … Es war irgendwie … fremd.«
»Fremd? Im Sinne von fremdartig oder im Sinne von ungewohnt?«
Er kam sich restlos beschränkt vor. »Mhm … Irgendwie vielleicht beides.«
»Aber wir sind doch ein Paar!«
»Äh … ja, klar. Aber eigentlich kennen wir uns überhaupt nicht.« Er bemerkte ihren betroffenen Gesichtsausdruck und fuhr hastig fort: »Oder sagen wir: Du kennst mich überhaupt nicht. Du hast es selbst gesagt.«
»Ja, aber …«
»Du hast sogar ausdrücklich gesagt, dass du es lieber nicht willst. Das mit dem Sex. Du hast es mir deutlich gesagt, erinnerst du dich? Dass du es unangebracht fändest, wenn wir es … hm, täten. Deine Worte waren: Wir sollten das auf jeden Fall lassen .«
Sie dachte nach, dann nickte sie langsam. »Stimmt. Das habe ich gesagt. Du hast Recht.«
Fabio ließ langsam die angehaltene Luft entweichen. Er hätte jubeln sollen, weil ihm so unverhofft die rettende Ausrede eingefallen war. Doch er fühlte sich ganz einfach nur mies.
»Dann geh ich jetzt mal schlafen«, sagte sie leise, während sie sich bereits mit gesenkten Blicken abwandte. »Gute Nacht, Fabio.«
»Gute Nacht, Isabel.« Er brachte es nur mühsam heraus und lauschte anschließend mit hämmerndem Herzen ihren Schritten, bis sie verklungen waren. Er wartete, bis er sicher sein konnte, dass sie ihn nicht mehr hörte. Danach packte er die Pfanne am Stiel und schleuderte sie quer durch die Küche.
S ie fühlte sich entsetzlich. Schon auf dem Weg zur Treppe merkte sie, wie sich hämmernde Kopfschmerzen einstellten, und kaum hatte sie die ersten Stufen erklommen, fühlte ihr Schädel sich an, als wolle er gleich bersten.
Doktor Mozart hatte ihr gesagt, dass es hin und wieder zu migräneartigen Kopfschmerzen kommen könnte. Stressbedingt, hatte er gesagt. Und als Nachwirkung des schweren Schädel-Hirn-Traumas, das sie bei dem Sturz erlitten hatte. Er hatte allerdings nicht erwähnt, dass ihr ein Fünfzigtonner auf den Kopf donnern würde. Oder dass ihr Gehirn in Salzsäure schwimmen würde.
Hinter ihren Schläfen stach und brannte es, und im hinteren Bereich, da, wo sie die Verletzung erlitten hatte, schien sich eine glühende Lanze in ihr Hirn zu bohren, während gleichzeitig ein Vorschlaghammer brutal von oben zuschlug. Im Krankenhaus hatte sie regelmäßig Schmerzmittel bekommen, da war es nie so schlimm geworden. Am Schluss hatte sie keine Probleme mehr damit gehabt, aber für den Fall der Fälle hatten die
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