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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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seine flachen Kniescheiben. Was ist los mit denen, denkt er. Lange bleibt er so sitzen. Er zieht die Beine hoch, er krümmt die Zehen. Und die Finger, alles geht sehr gut, sie sind so sensibel, noch nie zuvor war er so sensibel gewesen. Sein Sehvermögen ist wieder getrübt, er sieht im Schlafzimmer nur schwache Konturen von Möbeln und Gegenständen. Er blinzelt einige Male, aber das hilft überhaupt nicht. Er bleibt hilflos sitzen, weiß nicht, was er machen soll. Ängstlich, die Füße auf dem kalten Boden. Hilf mir, Julie, ich sieche dahin! Aber sie ist nicht da, er ist ein einsamer Mann auf seiner Bettkante, und er ist hilflos. Endlich kann er sich aufrappeln, seine Beine tragen ihn nur mit Mühe, er geht zögernd durch den Raum, hat kein Vertrauen mehr zu seinem eigenen Körper. Es ist halb acht Uhr morgens, wenn er beim Arzt anruft, wird sich dort niemand melden, er muß warten. Er holt sich einen alten Bademantel. Sitzt in einem Sessel am Fenster und hört das Ticken der Wanduhr. Da kommt ein Opel, kurz darauf ein BMW. Die ganze Zeit fährt er sich mit den Händen über die Oberschenkel, will Kraft in sie hineinreiben, sie wieder zu seinen Beinen machen, die er immer gehabt hat, die ihre Pflicht tun. Die Angst kriecht über seinen Rücken, er beißt sich fest auf die Lippe, schmeckt Blut. Muß den Arzt anrufen, denkt er, brauche Hilfe. Was ist das nur, das in seinem Körper gärt? Wieder krümmt er die Finger, an der Feinmotorik ist nichts auszusetzen, und die Sehkraft ist fast wieder normal. Ist es doch möglich, daß er nur schusselig ist und nicht aufpaßt? Ist er zu schnell aufgestanden, war ihm schwindlig? Nein, so ist es nicht, denn er verliert dann seine ganze Kraft, es passiert plötzlich, wie ein Angriff aus dem Hinterhalt. Er beugt sich über den Tisch. Denkt eine Weile über Viren nach. Das kann es sein, darüber hat er soviel gehört, er hat von Leuten gehört, die aufwachen und gelähmt sind, und eine Woche später können sie wieder gehen. Vermutlich ist es harmlos, und der Arzt wird feststellen, was es ist. Ein Virus. Etwas mikroskopisch Kleines, das ihn aus der Bahn wirft, sicher nichts Gefährliches. Um acht Uhr ruft er in der Praxis an, aber dort meldet sich niemand. Das bedeutet, daß sie nicht vor neun öffnen, das wird eine lange Stunde. Er trödelt herum, um die Zeit rumzukriegen, schmiert sich ein Brot, ißt es langsam, trinkt Kaffee dazu. Die ganze Zeit wird sein Blick von der Straße angezogen, auf der Suche nach fremden Autos. Um fünf nach neun ruft er zum zweiten Mal in der Praxis an. Erklärt kurz und sachlich, was geschehen ist. Am anderen Ende der Leitung ist es zuerst still, so, als würde sie dort sitzen und etwas durchlesen. Er wartet. Dann ist sie wieder da. Ihm wird gesagt, er solle sofort kommen.
    Während er im Wartezimmer sitzt, staunt er darüber, daß er sofort kommen konnte. Als sei die Lage wirklich ernst, als habe er nicht eine Sekunde zu verlieren. Was haben sie in seine Akte geschrieben, das dafür sorgt, daß sie so entgegenkommend sind, was denken sie? Er denkt an Knochenkrebs. Er denkt, daß etwas seine Gelenke angreift, eine Entzündung vielleicht, eine Geschwulst. Er sieht die anderen an, die warten, aber er kann ihre Blicke nicht erwidern, er verspürt eine starke Unruhe. Er greift zu einer Illustrierten, aber er kann sich nicht auf die Königsfamilie konzentrieren. Der Arzt erscheint in der Tür, er ruft Charlo auf. Früher als alle anderen Wartenden. Er starrt dem Arzt ins Gesicht, aber das ist verschlossen wie immer, das Lächeln ist das gleiche, ruhige, seine Stimme ist angenehm. Charlo schafft es, sich in einen Sessel zu setzen, er sitzt ganz am Rand.
    »Also«, sagt der Arzt mit ernster Stimme, »die Symptome haben sich wieder eingestellt?«
    »Ja«, sagt Charlo. Er schaut den Bildschirm an, kann aber nicht lesen, was dort steht.
    »Ich bin heute morgen aus dem Bett aufgestanden und sofort zu Boden gegangen. Wenn ich ehrlich sein soll, dann geht mir das langsam ganz schön auf die Nerven.« Er ist verbittert, daß er hier sitzt, fühlt sich heimgesucht. Aber der Feind ist unsichtbar, es ist wie Schattenboxen, und Charlo ist ein wenig erschöpft,
    Der Arzt schaut den Bildschirm an und nickt.
    »Ich bin zu dem Entschluß gekommen, daß Sie zur Beobachtung ins Krankenhaus gehören.«
    Charlo glotzt ihn an. »Ins Krankenhaus?«
    »In die neurologische Abteilung«, erklärt der Arzt gelassen. »Es dauert nur ein paar Tage. Nicht alle Krankheiten können

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