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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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zu euch.»
Gehorsam betrat Elizabeth das Hauptgebäude,
durchquerte die Halle mit dem kühlen Marmorfußboden,
vorbei am Salon, dem Musikzimmer, den Speisesälen, und
stieg die geschwungene Treppe hinauf, die zu den
Privaträumen führte. Min und ihr Mann residierten in
einem Bürotrakt, von dem aus man die Front sowie beide
Seiten des Grundstücks überblickte. Von hier aus konnte
Min jede Bewegung der Gäste und des Personals
beobachten und alles unter Kontrolle halten. Beim Dinner
regnete es dann Ermahnungen: «Als ich Sie lesend im
Garten sah, hätten Sie eigentlich im Aerobic-Kurs sein
sollen.» Auch Angestellte, die einen Gast warten ließen,
erwischte sie mit unfehlbarer Sicherheit.
Elizabeth klopfte leise an die Tür zum privaten
Bürotrakt. Als keine Antwort kam, öffnete sie. Auch diese
Räume waren, wie alle anderen in Cypress Point Spa,
erlesen möbliert. An der Wand über der perlgrauen Couch
hing ein abstraktes Aquarell von Will Moses. Auf den
dunklen Fliesen schimmerte ein Aubussonteppich. Der
Schreibtisch im Empfang, ein echter Louis-quinze, war
verwaist, was Elizabeth mit tiefer Enttäuschung erfüllte,
bis sie sich erinnerte, daß Sammy ja am folgenden Abend
zurückkommen sollte.
Zögernd näherte sie sich der halboffenen Tür zu dem
gemeinsamen Büro der Schreibers, hielt dann wie vom
Donner gerührt inne.
Helmut von Schreiber stand an der gegenüberliegenden
Wand, an der Bilder von Mins berühmtesten Gästen
hingen. Elizabeths Augen folgten ihm, und sie biß sich auf
die Lippen, um nicht laut aufzuschreien.
Es war eine Porträtstudie von Leila, die er so eingehend
und mit hartem Gesichtsausdruck betrachtete, die
Aufnahme, die bei ihrem letzten Aufenthalt hier gemacht
worden war. Unverkennbar – das kräftige Grün ihres
Kleides, das leuchtend rote Haar, das ihr Gesicht
umrahmte, die Geste, mit der sie ein Champagnerglas hob,
als wolle sie einen Toast ausbringen.
Er sollte nicht merken, daß er beobachtet wurde.
Deshalb kehrte Elizabeth schleunigst ins Vorzimmer
zurück, öffnete und schloß nachhaltig die Tür und rief
dann: «Niemand da?»
Unmittelbar darauf kam er herbeigeeilt. Eine
frappierende Veränderung hatte sich vollzogen: Das war
wieder ganz der charmante, verbindliche Europäer, wie sie
ihn von jeher kannte, mit dem warmen, herzlichen
Lächeln, dem Kuß auf beide Wangen, dem dezenten,
halblauten Kompliment: «Du wirst von Tag zu Tag
schöner, Elizabeth. So jung, so makellos, so rank und
schlank.»
«Lang und dünn, meinst du wohl.» Elizabeth trat einen
Schritt zurück. «Laß dich anschauen, Helmut.» Sie
musterte ihn prüfend, ohne die geringste Spur von
Anspannung in den babyblauen Augen zu entdecken. Sein
Lächeln wirkte gelöst und völlig natürlich, ließ die
gleichmäßigen weißen Zähne aufblitzen. Wie hatte Leila
ihn beschrieben? Ich kann mir nicht helfen, Spatz, der
Knabe erinnert mich immer an einen Spielzeugsoldaten.
Was meinst du, ob Min ihn morgens aufzieht? Seine
Ahnengalerie ist ja vielleicht ganz eindrucksvoll, aber ich
gehe jede Wette ein, daß bei ihm die Kohlen nie gestimmt
haben, bis er dann bei Min fündig wurde.
Elizabeth hatte widersprochen: «Er ist immerhin
Facharzt für plastische Chirurgie und versteht mit
Sicherheit eine Menge von Kurbehandlungen. Cypress
Point hat einen hervorragenden Ruf.»
«Kann ja sein», hatte Leila entgegnet, «aber der
Unterhalt verschlingt Unsummen. Ich würde meinen
letzten Dollar darauf wetten, daß nicht mal diese
Wucherpreise die laufenden Unkosten decken. Ich sollte
mich ja mit so was auskennen, Spatz. Schließlich war ich
bisher mit zwei Schnorrern verheiratet, stimmt’s? Sicher
behandelt er Min wie eine Königin, aber er bettet eben
auch sein getöntes Haupthaar jeden Abend auf
Kissenbezüge zu zweihundert Dollar. Und dann hat Min
außer den Aufwendungen für Cypress Point noch eine
schöne Stange Geld in sein verfallenes Schloß in
Österreich gesteckt.»
Wie alle anderen hatte auch Helmut von Leilas Tod
erschüttert gewirkt, doch jetzt fragte sich Elizabeth, ob das
nicht bloß Theater gewesen war.
«Na, so sag schon. Ist alles in Ordnung mit dir? Du
kommst mir irgendwie besorgt vor. Womöglich hast du
ein paar Fältchen entdeckt?» Er lachte gedämpft.
Sie brachte ein Lächeln zustande. «Du siehst glänzend
aus, finde ich. Vielleicht hast du mir bloß angemerkt, mit
welchem Schrecken ich festgestellt habe, wieviel Zeit seit
unserem letzten Zusammensein

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