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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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hörte meine Mutter sagen, »Sag Firuz Chan, daß er morgen früh die Kutsche bereithält. Der Agha ist eingeladen. Er wird sich zum Garten seines Bruders in Shemiran begeben.«
    Mir sank das Herz in die Kniekehlen. Weshalb ging Agha Djan denn nicht nach Gholhak? In seinen Garten, der allmählich zu einem richtigen Garten wurde. Weshalb ging er nach Shemiran? In den riesigen Garten von Onkelchen und mutterseelenallein? Zu einem Zeitpunkt, an dem wir alle in der Stadt waren und wegen Mutters Entbindung und den folgenden Ereignissen die Reise zum Sommersitz nicht in Frage kam. Zur Sommerzeit siedeltensämtliche Bewohner von Onkelchens Haus in den Garten in Shemiran um. Meistens lud die Frau meines Onkels Mutter ein. Meine Mutter wich ihr aus, sie mochte sie nicht. Sie hatte eine böse Zunge. Wie war es gekommen, daß sich mein Vater in diesem Jahr plötzlich nach Shemiran aufmachte? Ich bat Chodjasteh, es auszukundschaften. Sie verstand es hervorragend, sich ahnungslos zu stellen und Mutter die Antworten auf meine Fragen aus der Nase zu ziehen.
    Chodjasteh sagte, »Chanum Djan sagt, Onkelchen hätte Agha Djan eingeladen. Er hat gesagt, ›Besuchen Sie mich doch, damit wir für die Zukunft unserer Kinder einen Entschluß fassen können.‹ Und Agha Djan wird hinfahren, um möglichst rasch deine und Mansurs Angelegenheit zu regeln.« Chodjasteh zögerte und fuhr fort, »Agha Djan hat gesagt, es sei nicht ratsam, daß du länger in diesem Haus bleibst. Man müßte sich dich vom Hals schaffen. Er sagte, ein Mädchen mit Flausen im Kopf muß man schnell verheiraten, sonst beschwört es vielleicht einen noch größeren Skandal herauf.« Chodjasteh errötete, »Es ist beschlossen, daß Chanum Djan der Tante mütterlicherseits ausrichten läßt, früher zu kommen, damit sie auch meine Angelegenheit mit Hamid regeln können…« Sie lachte und fügte hinzu, »Aus Angst vor dir wollen sie auch mich Hals über Kopf verheiraten.«
    Ich sagte, »Meinen Glückwunsch, Chodjasteh. Aber ich will Mansur nicht. Ich kann ihn nicht ausstehen. Mit dieser klatschsüchtigen Hexe von Mutter. Sollte ich einwilligen, geschähe es mir recht! Wenn ich Mansur sehe, kommt es mir vor, als hätte ich den Todesengel gesehen.«
    »Chanum Djan sagt, sie kann wollen, soviel sie will. Will sie nicht, werde ich ihr eins überziehen und sie selbst ans Trauungstuch setzen.«
    »Ich bringe mich um. Ich schlucke Opium und bringe mich um. Du wirst schon sehen. Ich werde auf keinen Fall Mansurs Frau.«
    »Der arme Mansur ist doch nicht so übel. Er tut mir wirklich leid. Du hast den Verstand verloren, Mahbub!«
    »Ja, bei Gott, das hast du gut gesagt, Chodjasteh, ich habe den Verstand verloren. Ich selbst weiß das am allerbesten.«
    Frühmorgens fuhr Agha Djan mit der Kutsche fort. Ich war noch im Bett, als ich das Kommen und Gehen hörte, und war erleichtert.Als die Sonne hoch am Himmel stand, wechselte meine Mutter die Kleider und rief nach Chodjasteh, »Komm, Chodjasteh, komm, mein Kind, mach dich schnell bereit, damit wir deine Tante besuchen gehen können.«
    »Nein, Chanum Djan. Wohin kann ich noch mitkommen? Ich schäme mich.«
    Ich hörte meine Mutter lachen, »Möge das Gesicht der Scham schwarz werden. Komm schon, steh auf! Wo wollen wir schon hin? Wir gehen deine Tante besuchen. Als wärst du nicht schon hundert Mal dorthin gegangen. Niemand will dir etwas.« Wie kam es, daß meine Mutter lachte? Daß sie munter und zu Scherzen aufgelegt war?
    Meine Mutter und meine Schwester brachen auf, und zu meiner Verwunderung folgte ihnen auch die Amme mit dem Kind auf dem Arm. Meine Mutter ordnete an, daß Hadj Ali vorausgehen und eine Droschke für sie beschaffen sollte, damit sie zusammen fahren könnten. Beim Fortgehen sah Dadde Chanum meine Mutter zweifelnd an und fragte, »Wird Mahbube Chanum nicht mit Ihnen fahren?«
    Meine Mutter brauste auf, »Was geht dich das an?«
    »Wenn Mahbube Chanum ebenfalls mitginge, könnte ich mit Ihrer Erlaubnis auf einen Sprung bei meiner Schwester vorbeischauen.«
    Mitten in das Staunen von Dadde Chanum, der Amme und mir sagte meine Mutter kaltblütig, »Gut, dann geh doch. Was kümmerst du dich um Mahbube Chanum?«
    Unwillkürlich blickten Dadde Chanum und ich meine Mutter erstaunt an. War denn nicht beschlossen, daß stets jemand auf mich aufpassen sollte? Wie konnte meine Mutter es Dadde Chanum bloß so ohne weiteres gestatten? Für gewöhnlich bekam das Personal nicht so einfach die Erlaubnis zu Urlaub oder zum Besuch

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