Der Morgen der Trunkenheit
ungeduldig mit der Hand, »Was Sie nicht sagen, Bruder! Zitieren Sie die Geschichte? Jener Bräutigam war der Koch vom Wesir des Shahs. Aber meine Tochter hat sich in einen Taugenichts verliebt. In einen Bastard von niederem Stand. Dieser Mensch ist unter unserer Würde. Wie Nazanin sagt, er paßt nicht zu uns, er ist fehl am Platz.«
Onkelchen sagte, um zum Ende zu kommen, »Was auch immer ich versuche, Sie machen all meine Bemühungen zunichte. Doch sollten Sie wissen, daß es in Ihrem Interesse ist, diese Angelegenheit zu beenden. Morgen könnte sie einen weitaus größeren Skandal heraufbeschwören! Was, wenn sie Opium schluckt? Wenn sie auf die Idee käme zu fliehen? Am Ende wird sie Ihnen noch großen Ärger bereiten. So, wie Mansur sich anhörte, glaube ich, daß diese Angelegenheit kein gutes Ende nehmen wird. Lassen Sie sie möglichst rasch ziehen, und setzen Sie einen Schlußpunkt.«
Meine Mutter schlug sich mit der Hand sacht auf den Kopf, »O weh, ließe Gott mich doch sterben. Was werden die Leute sagen?«
Mein Vater sagte, »Nichts, Chanum. Die Leute werden uns verspotten. Sie werden sagen, Bassir ol-Molks Tochter, die keinen auch nur eines Blicks würdigte, die mit dem großartigen Getue, ist die Frau des Schreiners aus dem Viertel geworden…«
Meine Mutter sagte, »O Gott, ich weiß nicht, welche Sünde ich begangen habe, daß ich diese Strafe verdiene? Weshalb muß dieses Unglück ausgerechnet mir zustoßen? Jedem armen, bedürftigen Mädchen habe ich eine Aussteuer gegeben. Jedem, der schutzlos und in Not geraten war, habe ich geholfen…«
Als spräche er zu sich, sagte mein Vater, »Nazanin zufolge besitzt der Sohn der Frau Amme mehr Würde. Der Schwiegersohn von Dadde Chanum und Firuz Chan ist achtbarer als diese Person. Wir haben noch Glück gehabt, daß sie sich nicht in den Gärtnerssohn verliebt hat. Den, der das Wasser aus dem Becken abläßt. Und jetzt sagt mein Brüderchen, veranstalte ein Spektakel und benachrichtige alle, daß sie kommen und zuschauen. Leg die Hand deiner Tochter in die Hand dieses Kerls, damit er dich verspotten kann.«
Meine Mutter schlug sich erneut auf den Kopf, »O weh, wie soll ich den Leuten Rede und Antwort stehen?«
Onkelchen sagte, »Chanum, ständig reden Sie von den Leuten. Was meinen Sie damit? Wenn wir selber das Haupt hochhalten undden Leuten über den Mund fahren, werden sie sich hüten, etwas zu sagen.«
Mein Vater seufzte, »Alle wehklagen über das Leid, das andere ihnen angetan, Hafis klagt über sich.«
Es war eindeutig, auf wen mein Vater anspielte. In der Großfamilie gab es zwei Frauen, mit denen die Familienmitglieder nur dann eine Angelegenheit besprachen, wenn sie diese zwar öffentlich machen, jedoch nicht selbst bekanntgeben wollten. Diese beiden waren Tante Keshwar und die Frau des Onkels selbst. Beide waren neugierig, neidisch und intrigante Klatschbasen, die kein Wort für sich behalten konnten. Für die Tante, deren Mann seit längerem tot und, wie meine Mutter stets sagte, aus Kummer über diese Frau eingegangen war, bedeutete diese Verhaltensweise an sich schon eine Art Vergnügen und Zeitvertreib. Sie, die ein ansehnliches Vermögen von Ehemann und Vater geerbt hatte, kränkte, während sie ihren Brüdern um den Bart ging, deren Frauen mit spitzen Worten, die wirksamer waren als der Biß einer Viper. Als meine Mutter noch keinen Sohn hatte, sagte die Tante jedesmal, wenn sie meine Mutter sah, »Weiß Gott, ich gäbe mein Leben für meinen Bruder. Du weißt nicht, wie sehr ich mich danach sehnte, seinen Sohn im Arm zu halten.« Als Manuchehr auf die Welt kam und mein Vater meiner Mutter einen Diamantring zur Geburt schenkte, sagte sie, »Glück muß man haben. Ich habe drei stattliche Söhne geboren. Mein Ehemann hat mir für jeden eine Goldmünze auf die Stirn gedrückt. Du solltest meinen Bruder zu schätzen wissen.«
Die Tante selbst brachte meiner Mutter zur Entbindung ein Paar läppisch leichte Goldohrringe als Geschenk und rieb dies fortan überall und allen unter die Nase und sagte, »Nun, ich dachte, obwohl Witwe, daß Nazanin Chanum unter Umständen beleidigt wäre, wenn ich ihr nichts Goldenes mitbringen würde. Endlich hat sie einen Sohn geboren. Sie erwartete es. Ich sagte mir, selbst, wenn ich Schulden machen müßte, ich muß ihr etwas Goldenes mitbringen.«
Schließlich schickte ihr mein Vater, um sich von dieser Schuld zu befreien und damit die Leute ihn nicht tadelten, weil seine Frau von ihrer verwitweten
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