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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Tochter?«
    Er senkte den Kopf und verstummte für eine Weile. Dann hob er langsam den Kopf und starrte auf die Tür des Nebenzimmers, in dem wir uns befanden. Er konnte meinem Vater nicht in die Augen sehen. Er sah mich nicht, doch schien mir, als sähe ich ihm direkt in die Augen. Er sagte, »Jawohl.«
    »Willst du sie heiraten?«
    Überrascht wandte er sich meinem Vater zu, »Von Gott wünsche ich mir nichts sehnlicher.«
    Zornig erwiderte mein Vater, »Und Gott hat sie dir beschieden.«
    Rahim senkte den Kopf und verstummte erneut. Wieder sehnte ich mich nach ihm. Ich wollte nicht, daß mein Vater ihn quälte. Mein Vater sagte, »Hör mir gut zu. Wirst du, falls ich dir meine Tochter gebe, dir eine geregelte Existenz für sie aufbauen? Einerechtschaffene Existenz?« Mit der Hand zeigte er ringsum in das Zimmer und fügte hinzu, »Ich meine nicht solch eine, sondern eine gepflegte, gutsituierte, respektable, angenehme und würdige Existenz.«
    »Ich werde alles tun, was in meinen Kräften steht. Für sie würde ich mein Leben geben.«
    »Behalt dein Leben für dich. Ich weiß nicht, was du ihr eingeflüstert hast, daß du sie blenden konntest. Doch hör mir gut zu. Ich werde ein Haus auf den Namen meiner Tochter übertragen, in dem ihr leben könnt, mit einer Schreinerei, in der du arbeiten kannst. Die Frau Amme wird ihr monatlich dreißig Tuman als Unterstützung bringen. Ihr Brautgeld wird zweitausendfünfhundert Tuman betragen. Weh dir, wenn sie auch nur den geringsten Kummer zu erdulden hat. Ich werde dir das Leben zur Hölle machen. Ich werde dich mit Stumpf und Stiel vernichten. Ich werde deine Sippe ausrotten. Hast du das richtig verstanden?«
    »Jawohl, Agha.«
    »Geh und überleg es dir gut und sag mir dann Bescheid.«
    »Da gibt es nichts zu überlegen. Ich habe mir alles gut überlegt. Ich begehre sie. Selbst wenn ich sterben müßte, würde ich nicht von ihr ablassen.«
    Mein Vater winkte haßerfüllt und verdrossen ab, »Es reicht. Hör auf damit. Komm Donnerstagnacht in zehn Tagen hierher. Es ist die Nacht vor dem Mab’ass-Fest. Du wirst mit deiner Frau den Ehevertrag abschließen, sie an der Hand und mit dir nehmen. Und bring alles mit, was du mitbringen mußt. Kannst du lesen und schreiben?«
    O weh, weshalb redete mein Vater nur so? Wollte er etwa einen Diener einstellen, daß er ihn so ausfragte? Ich kochte vor Zorn.
    »Jawohl. Ich übe mich auch in Kalligraphie.«
    Mein Vater zog ein Stück Papier aus der Tasche, auf dem, wie ich später erfuhr, die Anschrift des Hauses von Hassan Chan, seinem zweiten Schwager stand, und reichte es ihm. Rahim ergriff es unterwürfig mit beiden Händen. »Morgen früh gehst du zu dieser Anschrift. Ich habe angeordnet, daß dieser Herr dich mitnimmt und dir einen Anzug und ein Paar Lederschuhe kauft. Am Donnerstag kommst du in tadelloser Aufmachung hierher, hast du das begriffen?«
    »Jawohl, Agha.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Ich war bedrückt. Ich wußte nicht, ob durch die Arroganz meines Vaters oder die Armut meines künftigen Ehemanns. Mein Vater wußte, daß wir aus dem Verborgenen zusahen. Er demütigte ihn. Er wollte mir unsere Überlegenheit und seine Minderwertigkeit unter die Nase reiben. Ich war wütend.
    Er stand auf. In dieser luxuriösen Behausung war er befangen. Er war nicht er selbst, jener wilde, leidenschaftliche Rahim. Er glich einem wilden Tiger, der in einem Käfig gefangen war und den man gezähmt hatte. Dennoch faßte er sich ein Herz und murmelte, »Richten Sie Mahbube meine Grüße aus.«
    Zornig aufbrausend erwiderte mein Vater, »Geh!«
    Der andere fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und schob es hoch, um den Hut aufzusetzen. Wieder brachte er mich um den Verstand.
    Im Lauf der nächsten zehn Tage bestellte mein Vater die Amme zu sich und wies sie an, zusammen mit Hassan Chan ein kleines, gemütliches und nicht allzu kostspieliges Haus in einem mittleren Viertel zu kaufen und es auf meinen Namen zu überschreiben. Außerdem ließ er einen sauberen und angemessenen Laden in dessen Umgebung auf meinen Namen kaufen. Die Amme richtete das Haus nach ihrem Geschmack mit den notwendigen Dingen des Lebens ein und legte es mit Teppichen aus, die allerdings aus grober Wolle waren. Von den rund zwölf kompletten Satin-Bettgarnituren, die man mir zuvor für die Aussteuer bereitgelegt hatte, brachte sie nur zwei, drei in jenes Haus. Täglich ging und kam sie und nahm Haushaltsgegenstände mit. Töpfe, Messingtabletts, Siebe, etwas Porzellangeschirr,

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