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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Vor dem Salon streifte er die Schuhe ab. Ruhig trat er ein und schloß die Tür hinter sich. Äußerstvorsichtig knöpfte er sein Jackett auf und zog es aus. Ich saß in einem Winkel des Zimmers. Die Knie hatte ich angewinkelt, die Arme aufgestützt, und ich sah ihm zu. Er packte sein Jackett am Kragen und warf es wütend auf das Sitzkissen. Wandte sich mir zu und sagte schroff, »Gott verdamme meine Eltern, wenn ich das noch einmal anziehen sollte. Ich schwöre, nie wieder mit dir auszugehen. Du hast nicht einen Mann geheiratet, sondern dir nur einen Diener genommen, der dir das Geschirr abwäscht.«
    Ich sprang auf, »Ich hab mir keinen Diener genommen. Und vom Geschirrwaschen bin ich auch noch nicht gestorben.« Hastig lief ich die Treppe hinunter. Die Luft war am frühen Abend noch kühl, doch ich achtete nicht darauf. Erbost setzte ich mich ans Bekken, um das Geschirr zu waschen. Ich stieß die Schüsseln an die Krüge und knallte die Töpfe auf die Erde. Ich sagte mir, gleich kommt er. Er muß kommen und mir das aus der Hand nehmen. Mich umwerben. Sich entschuldigen. Doch es dauerte eine Weile, und er kam nicht. Dann ging im Zimmer ein Licht an. Es war dunkel geworden. Er öffnete die Tür zum Eiwan und blieb dort stehen. Wieder lehnte er sich an den Türrahmen. Wieder jenes neckende Lächeln.
    »Läßt du deinen Ärger an Schüsseln und Tellern aus?«
    Ich antwortete nicht. Ich sah auch nicht zu ihm hin, sondern fuhr mit meiner Arbeit fort.
    »Steh auf und komm. Du erkältest dich. Die Luft ist kühl.«
    Ich schwieg. Ein Kloß saß mir im Hals. Dann sagte er, »Mahbub!«
    Unwillkürlich wandte ich ihm den Kopf zu. Er hatte mit der Linken die Petroleumlampe hochgehoben und hielt sie neben sein Gesicht. Neben seine Locken. Und er streckte den rechten Arm, an dem sich der Ärmel bis zum Ellbogen hochgeschoben hatte, nach mir aus. Diese Muskeln und Adern, wie bei einer Statue, die ich stundenlang betrachten könnte. Wußte er, welche Wirkung er auf mich ausübte?
    Wie ein Kaninchen, das von der Schlange gebannt wird, erhob ich mich von meinem Platz. Das Gefäß, das ich in der Hand hielt, sank auf den Grund des Beckens. Ich schaute nicht einmal, wohin ich trat. Unwillkürlich wischte ich meine Hände am Rock ab, um sie zu trocknen. Ich kam bei ihm an. Mein Kinn zitterte. Er sagte, »So.So mag ich es. Wenn dein Kinn so zittert. Ich möchte mich satt an dir sehen.«
    Wir betraten das Zimmer. Er schloß die Tür. Meine Tränen begannen zu fließen. Ich stellte mich vor ihn. Er ergriff meine Hand. Ich zitterte. Erst in dem Augenblick bemerkte ich, wie kalt mir war. Daß mich fror. Von der Wärme seiner Hand und der Kälte meiner eigenen fuhr mir ein Schauer durchs Rückgrat. Ich sagte, »An dem Abend, an dem du beleidigt warst und weggegangen bist, habe ich gemerkt, daß du Wein getrunken hast.«
    »Es war aus Kummer wegen dir.«
    »Meinetwegen?«
    »Aus Kummer, daß du mich nicht mehr in dein Zimmer läßt.«
    Von dieser Nacht an schlief er wieder in meinem Zimmer.
    Ich glich einer rollenden Walze. Ich war hochschwanger. Die Amme kam uns öfter besuchen. Regelmäßig sah sie nach mir. An ihrem ständigen Kommen und Gehen erriet ich, daß meine Eltern sich sorgten. Es war kalt geworden. Meine Hände und Füße waren aufgequollen und mein Gesicht gedunsen. Meine Nasenlöcher hatten sich geweitet, und meine Lippen waren dick geworden. Ich mochte den Spiegel nicht. Ich sah häßlich aus.
    »Liebe Amme, weshalb sehe ich so aus?«
    Die Amme erwiderte ungeduldig, »Es wird schon wieder, mein Kind. Du wirst schon wieder. Herr Rahim, das ist die Anschrift der Hebamme, die Nozhat Chanums Kind zur Welt gebracht hat. Sie hat auch Manuchehr zur Welt gebracht. Sie ist sehr geschickt. Nehmen Sie sie. Sie werden sie brauchen.«
    Rahim lachte, »Jetzt ist es doch noch zu früh, Frau Amme.«
    »Nein, mein Lieber. Weshalb sollte es zu früh sein? Sie ist hochschwanger. Benachrichtige um Gottes willen sofort die Hebamme, wenn die Schmerzen einsetzen. Warte bloß nicht ab! Es könnte sonst sein, daß jemand sie vorher zu einer anderen Gebärenden holt.«
    Rahim sagte, »Frau Amme, Hebammen gibt’s mehr als genug. Sie muß doch nicht schon zwei Tage vorher hier zur Beobachtung sitzen. Sie verlangt einen Preis, als wär’s das Blutgeld für ihren Vater.«
    Die Amme beschwor ihn, »Und wenn schon. Für Mahbube ist nichts zu schade. Machen Sie sich um Gottes willen keine Sorgen ums Geld. Benachrichtigen Sie sie sofort. Schließlich sind

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