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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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begann erneut vor Schmerzen zu schreien.
    Es war ein Junge, kugelrund und mollig, mit roten Bäckchen. Eingewickelt war er, noch feucht vom Wasser, in dem ihn die Hebamme gebadet hatte. Sein Kopfhaar war schwarz und spärlich, aber es wellte sich. Mir krampfte sich das Herz zusammen. Es war das Haar seines Vaters, gewellt und lockig. Er nuckelte geräuschvoll an seinem Daumen. Seine Augen waren wie die Augen der Katzenkinder geschlossen. Ich hatte mich auf meinem Lager, dessen Wachstuch die Hebamme entfernt und dessen Laken sie gewechselt hatte, sauber und bequem ausgestreckt. Rahim küßte mich auf die Stirn und gab mir einen Ashrafi . Ich wußte, seine Geschäfte liefen gut. Jeden Tag legte er die Einnahmen in die Wandnische. Jeden Tag bis zu dem, an dem seine Mutter in unser Haus gekommen war. Seitdem hatte er sein und mein Geld in die Schatulle gelegt und den Schlüssel mir anvertraut. Ich wunderte mich, ließ es mir jedoch nicht anmerken. Ich wußte, daß er mir den Ashrafi von diesem Geld gekauft hatte, aber ich wußte nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. War dieser Ashrafi nicht geliehen? Ich wollte ihn fragen, hielt es jedoch nicht für ratsam. Jetzt hatte mir Gott ein Juwel geschenkt, mit dem verglichen Krüge voller Ashrafi nicht ein Staubkorn wert waren. Meinen Sohn.
    Eine Woche verstrich. Mir ging es nicht gut. Ich wußte, daß manche Frauen nach der Entbindung an Depressionen litten. Ich Ärmste gehörte zu dieser Sorte. Rahim saß ein paar Nächte bei mir und betrachtete mich. Er betrachtete das Kind. Wie es trank. Er betrachtete meine ungewollten Tränen. Dann, eines Nachts, als ich das Kind küßte und herzte, sagte er, »Beachten Sie mich nicht mehr, Mahbube Chanum? Kommt Neues auf den Markt, wird das Alte überflüssig.«
    Er war auf seinen eigenen Sohn eifersüchtig. Auf den Platz, den er in meinem Herzen eingenommen hatte. Ich hob den Kopf und lachte, »Du Neidhammel!«
    »Laß ihn zumindest nachts bei meiner Mutter schlafen.«
    »Aber das Kind braucht seine Milch. Laß es zwei, drei Monate hierbleiben, danach. Wenn es nachts zum Trinken nicht mehr aufwacht, gern. Dann kann deine Mutter es nehmen.«
    Mißmutig sagte er, »Pah! Dann sag doch gleich, bis zu seiner Hochzeit. Auf Wiedersehen, meine Dame, ich gehe!« Und er ging tatsächlich. Er schmollte. Als er spät nachts zurückkehrte, roch sein Atem nach Wein.
    Seine Mutter nahm morgens das Kind, und ich lag im Bett. Sie hatte fast alle Aufgaben an sich gerissen. Die Amme kam. Es war kalt und hatte geschneit. In meinem Zimmer hatten sie ein Kohlebecken aufgestellt. Meine Amme freute sich über meine Entbindung und sagte, kaum daß meine Schwiegermutter das Zimmer verlassen hatte, leise zu mir, »Liebes, paß auf, daß du und dein Kind nicht den Rauch einatmen…« Sie legte eine Pause ein und sagte dann, »Übrigens, still dein Kind, solange du kannst. Solange du stillst, kannst du nicht wieder schwanger werden.«
    Ich war wirklich betrübt. Sah auch sie auf Rahim herab? Weshalb wollte sie nicht, daß ich noch ein Kind von ihm bekam? War es vielleicht auf Empfehlung meiner Mutter? Überbrachte sie deren Anweisung? Sie gab mir vierzig Tuman und sagte, »Die hat dir dein Agha Djan gegeben. Als Geschenk für das Neugeborene.« Und ging.
    Es war die sechste Nacht. Ich erinnerte mich an die Entbindung meiner Mutter. Was für ein Fest war das gewesen! Das ausgelassene Vergnügen, das Kommen und Gehen! Und ich lag hier einsam und verlassen. Nur meine Schwiegermutter war da, und Rahim war noch nicht zurückgekommen. Als er kam, war er fast betrunken. Ich war wütend auf ihn. Ich hatte geweint. Das Kind war an meiner Seite eingeschlafen. Seine Mutter wusch im Hof das Geschirr ab. Ich war zu einem handfesten Streit bereit. Als ich jedoch sein betrunkenes Gesicht und sein schelmisches Lächeln sah, vergaß ich alles. Seltsam, wie Kummer und Traurigkeit sich beim Hören seiner Schritte verflüchtigten. Sie lösten sich in Luft auf. Ich begehrte ihn tatsächlich. Er sagte, »Salaam, meine wehleidige Dame!«
    Das Wort wehleidig enthielt eine Spitze. Ich gab keine Antwort.
    »Du liegst ja immer noch!«
    »Ich habe Schmerzen. Ich kann nicht sitzen.«
    »Ja, du hast vollkommen recht. Rostams Mutter mußte ebenfalls vierzig Jahre liegen.« Er lachte und torkelte vor Trunkenheit vor und zurück.
    Ich lachte ebenfalls.
    »Stell dich nicht so an, Rahim.«
    »Verwöhn du mich nicht.«
    Ich sagte, »Ich kann nicht. Du bist so süß, daß man dich nicht nicht

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