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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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diesen Gerüchten nie viel gehalten«, warf Nick ein.
    »Stimmt das tatsächlich?« fragte Fuzzy, plötzlich wirklich interessiert.
    »Wir hatten einen Informanten, der uns das alles mal erzählt hat«, fuhr Charlie fort. »Der Informant meinte, Red Scalotta stünde auf Peitschen und diesen ganzen Sado-Kram, und Reba wäre seine absolute Favoritin. Sonst würde Scalotta keinen mehr hochkriegen, hat er gesagt.«
    »Er ist ja auch schon ganz schön alt«, warf Fuzzy in vollem Ernst ein. »Seine fünfzig Jahre hat der doch mindestens auf dem Buckel.«
    »Jedenfalls hat Reba eine kleine Meise. Das könnt ihr mir glauben.« Charlie wandte sich Nick zu. »Weißt du noch, wie wir sie hochgehen ließen? Wie sie ständig etwas von irgendwelchen kessen Vätern dahergefaselt hat, als wir sie abgeliefert haben, und wie sie sie durch diese verdammte Gefängniszelle gehetzt hätten, bevor sie auf Kaution wieder freikam?«
    »Die Alte hat wirklich nicht alle Tassen im Schrank«, stimmte Nick zu.
    »Und selbst die wenigen, die sie hat, haben alle einen Sprung«, meinte Charlie.
    »Da macht sie wegen ein paar Weibern in die Hose, und mit Scalotta läßt sie sich dann auf irgendwelche Sado-Spielchen ein?« Auf Fuzzys bärtigem Babygesicht erschien bei dieser Vorstellung ein breites Grinsen.
    »Sehen wir zu, daß wir die Sache hinter uns bringen.« Charlie wurde langsam ungeduldig. »Dann können wir uns für den Rest des Tages bei einer Partie Billard in einer netten, kleinen Bar Fuzzys Geschichten über seine Hollywood-Groupies anhören.«
    Nick und Fuzzy fuhren in ihrem Wagen, während Charlie mich in seinem mitnahm. Es bestand nämlich durchaus die Möglichkeit, daß sich in der Wohnung nicht nur eine Person aufhielt, und so war es besser, für eventuelle Gefangene ausreichend Platz zu haben.
    »Gar nicht so schlecht, diese Kiste.« Voller Bewunderung begutachtete ich den neuen Wagen, der über eine Klimaanlage verfügte. Das Funkgerät war im Handschuhfach verborgen.
    »Ich kann nicht klagen«, sagte Charlie. »Vor allem die Klimaanlage ist natürlich toll. Hast du je ein Polizeiauto mit Klimaanlage gesehen, Bumper?«
    »Die Kisten, in denen ich immer durch die Gegend kutschiere, haben jedenfalls keine.« Ich steckte mir eine Zigarre an, während Charlie kräftig beschleunigte, um mir zu demonstrieren, daß die Maschine einigen Saft hatte.
    »Die Arbeit bei der Sitte macht schon eine Menge Spaß, Bumper, aber weißt du, ich denke immer noch gern an die Zeiten zurück, als ich mit dir Streife gegangen bin.«
    »Wie lange warst du eigentlich mit mir zusammen, Charlie? Ein paar Monate?«
    »Ungefähr drei Monate. Weißt du noch, wie wir diesen Einbrecher geschnappt haben? Diesen Kerl, der immer die Todesanzeigen gelesen hat?«
    »Ach ja.« Es war mir allerdings entfallen, daß es Charlie gewesen war, der mich damals begleitet hatte. Wenn man so viele Neulinge eingearbeitet hat wie ich, verschmelzen sie im Gedächtnis mehr oder weniger zu einer Person, und man kann sich nur noch schwer an die Dinge erinnern, die man mit jedem einzelnen Jungen erlebt hat.
    »Weißt du noch? Wir haben diesen Kerl vor der kleinen Bar in der Nähe der Third geschnappt, wo immer die ganzen Indianer rumhingen, und dann hast du gemerkt, daß er die Seite mit den Todesanzeigen in seiner Hemdtasche zusammengefaltet hätte. Du hast mir damals erzählt, daß einige Einbrecher ständig die Todesanzeigen lesen und in die Wohnungen der Toten einbrechen, nachdem diese bestattet worden sind. Dann können sie nämlich damit rechnen, daß sich vorerst niemand dort blicken läßt.«
    »Ja, ich weiß.« Ich blies eine Rauchwolke in Richtung Windschutzscheibe und dachte daran, wie eine Witwe oder ein Witwer meistens eine Weile bei ihrer Familie bleibt. Ganz schön beschissen, diese Grabräuberei. Meiner Meinung nach sollte das Opfer zumindest eine kleine Chance haben.
    »Wir haben damals für diesen Fang sogar ein Sonderlob eingeheimst, Bumper.«
    »Tatsächlich? Das habe ich ganz vergessen.«
    »Ich habe natürlich nur abgesahnt, weil ich eben dein Partner war. Dieser Typ hatte nämlich auf diese Weise an die zehn bis fünfzehn Wohnungen ausgeräumt. Weißt du nicht mehr? Ich war damals noch so feucht hinter den Ohren, daß ich nicht kapiert habe, weshalb er in seiner Gesäßtasche ein Paar Socken hatte. Ich habe dich sogar noch gefragt, ob diese Typen, die ständig auf Achse sind, öfter ein frisches Paar Socken anziehen. Du hast mir dann die Stellen in den Socken

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