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Der Müllmann

Der Müllmann

Titel: Der Müllmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Wolkenwand
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sie
war mit sechzehn noch nicht erwachsen. Doch normalerweise hielt sie sich daran,
spätestens um eins zu Hause zu sein.
    Ich klickte
sinnlos durch das Internet, dann hörte ich von draußen Reifen quietschen und
laute Musik durch unsere stille Straße dröhnen. Ich hatte da so einen Verdacht.
    Ein silberfarbener Mercedes CLK Cabrio stand schräg auf dem
Bürgersteig, und Ana Lena duckte sich unter den Armen eines geschniegelten Frettchens
durch, doch er fing sie wieder ein. Er war so ein langer schlaksiger Kerl, der
einen Gehrock trug und ein schwarzes Spitzenhemd, dazu offene lange schwarze
Haare und passende Reitstiefel. Seine ganze Haltung, die Art, wie er zu mir
herübersah, als das Licht vor der Garage anging, zeigten, dass er der Meinung
war, er wäre es.
    Ich öffnete die Tür und ging hinaus. Beide sahen hin zu mir, Ana
Lena wollte sich von ihm lösen, doch er hielt sie noch immer fest. Ich sollte
langsam ernsthaft darüber nachdenken, eine Schrotflinte neben die Tür zu
stellen.
    Vier lange Schritte später stand ich bei ihnen.
    »Du solltest sie jetzt loslassen«, riet ich ihm. Ich war erstaunt
darüber, wie höflich ich war. Aus der Nähe kam der Schnösel mir erst recht vor
wie ein Frettchen, und irgendwo im Hinterkopf hatte ich schon an ihm die Zonen
markiert, wo man hinlangen musste, damit er sein Grinsen verlor. Jetzt musste
er mir nur noch einen Grund liefern, den auch Marietta akzeptieren würde.
Vielleicht griff er mich ja an. Das wäre nett gewesen.
    Hoffen kann man ja.
    Ganz so dumm war er dann doch nicht, er interpretierte meinen
Gesichtsausdruck richtig und ließ Ana Lena los, die sich hastig hinter mir in
Sicherheit brachte.
    »Verschwinde«, riet ich ihm.
    »Wirf mal ein Baldrian, Opa«, grinste der Kerl, wehte mir seine
Alkoholfahne ins Gesicht und winkte einmal nachlässig in Ana Lenas Richtung.
»So viel Stress ist schlecht für die Gesundheit. Ich sehe dich morgen, Süße.«
    Nicht, wenn ich es verhindern konnte.
    Er tippte nachlässig mit dem Finger an die Stirn, stieg ein, gab
Gas, ließ die Kupplung springen und raste mit quietschenden Reifen davon.
Früher hätten Typen wie er einen Manta gefahren. Mit Fuchsschwanz an der Antenne.
    Ana Lena hatte ihre Arme um sich geschlungen und sah müde aus. Wir
sahen beide dem Idioten nach, dann sagte sie leise: »Danke.«
    »Ist das der Kerl, der dir nachsteigt?«, fragte ich sie, während wir
ins Haus gingen. Die Idee mit der Schrotflinte war verlockend, aber vielleicht
sollte ich Ana Lena besser auch im Keller einsperren. Der Blick, mit dem er sie
ausgezogen hatte, behagte mir ganz und gar nicht. Ihn zusammenzufalten, wäre
mir ein Bedürfnis gewesen, ein Wohlfühlerlebnis. Zum Stressabbau. Er hatte mir ja
selbst dazu geraten.
    »Ja«, sagte sie nur.
    »Wolltest du dich nicht von ihm fernhalten?«
    »So schlimm ist er gar nicht.«
    »Der Kerl ist ein Idiot. Er wollte dich nicht gehen lassen!«
    »Du brauchst nicht immer die Kavallerie zu spielen, das hätte ich
auch alleine regeln können!« Ana Lena hatte in der letzten Zeit die
Angewohnheit entwickelt, mir fast schon automatisch in allem widersprechen zu
wollen, aber diesmal fehlte ihren Worten der Biss. »Er wollte nur einen Kuss …
so schlimm war das gar nicht.«
    Das sah ich anders. Ich kannte sie, und es war für mich deutlich,
dass sie sich nicht von ihm hatte küssen lassen wollen. Ich öffnete den Mund,
doch sie schüttelte den Kopf.
    »Lass es«, bat sie mich. »Nicht jetzt. Ich bin hundemüde.«
    »Okay«, sagte ich und drückte sie kurz an mich, für einen Moment
ließ sie es zu, dann löste sie sich von mir, lächelte etwas schief und wünschte
mir eine gute Nacht, bevor sie die Treppe hochstieg.
    »Ana Lena«, sagte ich, und sie blieb auf der Treppe stehen und sah
zu mir hinunter. »Wie wäre es, wenn ich mir den Vortrag über die Uhrzeit spare
und du mir versprichst, nicht wieder so spät nach Hause zu kommen?«
    »Das war diesmal nicht meine Schuld«, sagte sie. »Aber okay.«
    Sie hatte irgendetwas, es war nicht alleine die Müdigkeit. Sie konnte
sich sonst auch die ganze Nacht mit mir streiten, wenn sie stur drauf war. Ich
sah ihr nach und machte mir Sorgen, so niedergeschlagen kannte ich sie nicht.
    Ich fragte mich nur, was Brockhaus wohl über diesen Typen rausfinden
konnte.

    Am
nächsten Morgen wollte sie nicht aus dem Bett, war »krank«, und als ich sie
endlich mit Androhung von Sanktionen aus dem Bett bekam, wurde sie zickig und
lief schnell zur alten Form auf.
    »Das

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