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Der Nachtschwärmer

Der Nachtschwärmer

Titel: Der Nachtschwärmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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vorgeschoben.
    Ich konnte gut damit leben, dass ich für ihn wenig interessant war. Bill war wichtiger, und ihn schaute er auch an. »Sie hätten sich anmelden sollen, Mr. Conolly, dann hätten wir Ihnen bestimmt einen anderen Empfang bereitet. So aber ist alles etwas plötzlich gekommen.«
    »Ich liebe ja Überraschungen.«
    Erskine lachte. »So ist eben jeder anders.«
    »Da haben Sie Recht.« Bill lächelte auch. Ich kannte dieses äußerlich so harmlose Lächeln, aber ich wusste auch, dass es in seinem Innern ganz anders aussah.
    »Eigentlich hätten Sie ja mit meinem Besuch rechnen müssen, Mr. Erskine.«
    »Ach? Tatsächlich?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Hat Ihnen Lorna Higgins denn nichts von einem Brief gesagt, den sie mir geschrieben hat?«
    »Lorna?«, flüsterte Erskine zurück.
    »Ja, Lorna Higgins.«
    Der Heimleiter runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht. Natürlich verstehe ich es, aber ich begreife nur nicht, dass sie mich nicht ins Vertrauen gezogen hat.« Er zuckte die Achseln. »Lorna ist ein junges Mädchen, das eine schwache Sehkraft hat. Sie wird auch in der Lage sein, einen Brief zu schreiben, aber das hätte sie mir ruhig sagen können, denke ich.«
    »Kann sein, dass sie ihre Gründe hatte, es nicht zu tun.«
    Paul Erskine lachte. »Jetzt scherzen Sie aber, Mr. Conolly. Welche Gründe hätten das denn sein sollen?«
    »Misstrauen.«
    »Bitte?«
    »Ja, Misstrauen anderen gegenüber.«
    Erskine musste zunächst mal schlucken. Wenn er schauspielerte, dann tat er es perfekt. Er suchte auch nach Worten und meinte, dass er sich ein Misstrauen ihm gegenüber beim besten Willen nicht vorstellen konnte.
    »Damit müssen auch nicht sie gemeint sein«, sagte Bill.
    »Wer dann?«
    »Auch nicht ihre Mitarbeiter. Lorna hatte Angst, und das hat sie mir geschrieben.«
    »Und wovor hatte sie Angst?«
    »Hier in der Gegend ist etwas passiert. Man fand drei tote junge Männer in den Klippen, und zugleich sind drei junge Frauen verschwunden, die mit den Männern zusammen gewesen sind und die mit ihnen die Disco verlassen haben.«
    Erskine winkte mit beiden Händen ab. »Ja, da haben Sie Recht, Mr. Conolly. Das ist eine tragische und auch fürchterliche Geschichte, die auch mir sehr an die Substanz gegangen ist. Trotz aller Tragik kann ich behaupten, dass wir davon nicht betroffen sind. Aus dem Heim hier ist niemand verschwunden, und das freut mich natürlich sehr, obwohl es die Tragik nicht mindert.«
    »Klar. Aber Lorna hatte Angst, dass ihr das gleiche Schicksal widerfahren könnte.«
    Erskine schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, da braucht sie sich keine Sorgen zu machen. Wir achten hier schon sehr auf unsere Schützlinge. Darauf können Sie sich verlassen.«
    »Das denke ich auch. Aber Lorna beruhigte das nicht, denn sie fügte in ihrem Brief noch etwas hinzu.« Bill behielt sein Lächeln bei und sprach mit fast sanfter Stimme weiter. »Lorna schrieb von einem fliegenden Monster, das hier die Gegend unsicher machen soll. Man hat ihm den Namen Nachtschwärmer gegeben.«
    Der freundliche Ausdruck auf dem Gesicht des Heimleiters verschwand allmählich. Er schaute etwas betrübt auf seine Knie und nickte dabei in unsere Richtung. »Auch da hat sie nicht gelogen. Es gibt das Gerücht, dass die jungen Frauen von diesem Nachtschwärmer geholt worden sind, nachdem es die Männer tötete.«
    »Das ist doch was, wo man ansetzen kann.«
    »Ach, eine Legende, Mr. Conolly.«
    »Hat das die Polizei auch so gesehen?«
    »Ja, Mr. Conolly, das hat sie. Ich weiß nicht, wer diese Mär hier aufgebracht hat, aber Sie dürfen die hier wohnenden Menschen nicht mit den Großstädtern vergleichen. Wer hier lebt, der denkt anders. Davon kann man ausgehen.«
    »Wie denn?«
    »Nun ja, man lebt mit den alten Legenden und Märchen. Unheimliche Gestalten haben in den Geschichten schon immer eine Rolle gespielt. Dafür ist Cornwall bekannt. Und wenn die Menschen hier keine rationalen Lösungen finden, dann ergehen sie sich eben in den Fantasien, die sie aus alten Zeiten her kennen. Nur so und nicht anders ist das zu verstehen.«
    Bill nickte, war aber nicht der Meinung des Heimleiters. »Dieser Teil des Briefes, der sich mit dem Nachtschwärmer auseinander setzte, las sich nicht wie Spinnerei. Man konnte davon ausgehen, dass Lorna dieses Monstrum gesehen hat.«
    »Kennen Sie Lorna?«
    »Nein. Nicht persönlich.«
    »Wenn Sie sie kennen würden, dann würden Sie Ihre Meinung auch ändern, Mr. Conolly. Lorna Higgins ist nicht

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