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Der Nachtzirkus

Der Nachtzirkus

Titel: Der Nachtzirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Morgenstern
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das Haus ein Rätsel bleibt. Wenn die Gäste die Grenzen nicht kennen, haben sie den Eindruck, das Haus sei unendlich. Früher waren es zwei Gebäude, es könnte also leicht verwirrend sein.«
    »Das wusste ich nicht«, sagt Celia.
    »Zwei benachbarte Häuser, jedes ein Spiegel des anderen. Er hat beide gekauft und sie, mit etlichen Erweiterungen, zu einem umbauen lassen. Für eine vollständige Führung haben wir wohl keine Zeit, aber wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen ein paar der interessanteren Zimmer.«
    »Gerne«, sagt Celia und stellt ihr leeres Weinglas auf den Tisch zu seinem. »Geben Sie oft verbotene Führungen im Haus Ihres Arbeitgebers?«
    »Erst einmal, und nur, weil Mr Barris sehr hartnäckig war.«
    *
    Vom Speisezimmer gehen sie unter dem Schatten der Statue mit dem Elefantenkopf durchs Foyer in die Bibliothek und bleiben vor dem Buntglassonnenuntergang stehen, der sich über die gesamte Wand erstreckt.
    »Das ist das Spielezimmer«, sagt Marco und drückt gegen das Glas, das sich in den nächsten Raum öffnet.
    »Wie passend.«
    Spielen ist eher das Thema als der Zweck des Raums. Bei mehreren Schachbrettern fehlen die Figuren, und auf Fenstersimsen und Buchregalen sind Figuren ohne Brett aufgereiht. Dartscheiben ohne Pfeile hängen neben Backgammonspielen, die mittendrin abgebrochen wurden.
    Der Billardtisch in der Mitte ist mit blutrotem Filz bezogen.
    An einer Wand befindet sich ein Sortiment paarweise aufgehängter Waffen. Degen, Pistolen, Fechtsäbel – alle mit einem Zwilling und für Dutzende von möglichen Duellen bereit.
    »Chandresh hat eine Schwäche für antike Waffen«, erklärt Marco, während Celia sich alles ansieht. »In anderen Räumen gibt es noch mehr Stücke, aber dies hier ist der Großteil der Sammlung.«
    Auf ihrem Rundgang durch den Raum beobachtet Marco sie aufmerksam. Er hat den Eindruck, dass sie sich beim Anblick der kunstvoll arrangierten Spielgegenstände ein Lächeln verkneifen muss.
    »Sie lächeln, als hätten Sie ein Geheimnis«, sagt er.
    »Ich habe viele Geheimnisse«, erwidert Celia über die Schulter hinweg, dann sieht sie wieder zur Wand. »Wann wussten Sie, dass ich Ihre Gegnerin bin?«
    »Erst seit der Zauberprobe. Davor waren Sie mir jahrelang ein Rätsel. Sie haben sicher gemerkt, wie sehr Sie mich damals überrascht haben.« Er verstummt und fügt dann hinzu: »Ich kann nicht behaupten, dass das unbedingt ein Vorteil war. Seit wann wissen Sie es?«
    »Seit unserer Begegnung im Regen in Prag, und das wissen Sie ganz genau«, sagt Celia. »Sie hätten mich mit einem seltsamen Schirm ziehen lassen können, aber stattdessen haben Sie mich zur Rede gestellt. Warum?«
    »Ich wollte ihn zurückhaben«, sagt Marco. »Ich mag diesen Schirm sehr gern. Außerdem war ich es leid, mich vor Ihnen zu verstecken.«
    »Eine Zeitlang habe ich alle und jeden verdächtigt«, sagt Celia. »Obwohl ich immer dachte, es müsste eher jemand aus dem Zirkus sein. Ich hätte wissen sollen, dass Sie es sind.«
    »Und warum?«, fragt Marco.
    »Weil Sie sich kleiner machen, als Sie sind«, antwortet Celia. »So viel steht absolut fest. Aber ich muss gestehen, ich hätte nie daran gedacht, meinen Schirm zu verzaubern.«
    »Ich habe überwiegend in London gelebt«, sagt Marco. »Als ich gelernt hatte, Gegenstände zu verzaubern, habe ich sofort damit angefangen.«
    Er zieht sein Jackett aus und wirft es über einen Ledersessel in der Ecke. Dann nimmt er ein Kartenspiel von einem Regalbrett, ohne zu wissen, ob sie bereit ist mitzumachen. Aber er ist zu neugierig, um es nicht wenigstens zu versuchen.
    »Wollen Sie Karten spielen?«, fragt Celia.
    »Nicht unbedingt«, antwortet Marco und mischt. Als er fertig ist, legt er den Stapel auf den Billardtisch.
    Er dreht eine Karte um. Pikkönig. Er tippt auf die Karte, und der Pikkönig wird zum Herzkönig. Er zieht seine Hand zurück, spreizt die Finger über der Karte und fordert Celia zum nächsten Zug auf.
    Celia lächelt. Sie nimmt ihren Schal von den Schultern und legt ihn auf sein Jackett. Dann stellt sie sich mit auf dem Rücken verschränkten Händen vor den Billardtisch.
    Der Herzkönig richtet sich auf, balanciert auf der Kante und verweilt einen Moment, bevor er langsam und bedächtig in der Mitte entzweireißt. Die beiden Hälften bleiben kurz stehen, dann fallen sie mit der gemusterten Seite nach oben um.
    In Anlehnung an Marcos Geste tippt Celia nun auf die Karte, die sich unverzüglich wieder zusammensetzt. Sie zieht die Hand

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