Der Naechste bitte!
und anstrengendes Gespräch ein.
»Ich habe eine Überraschung für dich!«, quietschte sie vor Aufregung, was bei mir schlagartig ein mulmiges Gefühl in der Magengrube hervorrief.
»Aha«, sagte ich und hätte am liebsten wieder aufgelegt. Ich wollte gar nicht wissen, worum es ging.
»Ich komme nach New York! Um dich und Michael zu besuchen!«
»Oh …. das ist … großartig«, murmelte ich und starrte mich in dem gegenüberliegenden Spiegel an, während ich fieberhaft darüber nachdachte, wie ich sie davon abbringen könnte. Es ging einfach nicht, dass sie ausgerechnet jetzt nach New York kam. Nicht, bevor ich ihr von unserer Trennung erzählt hatte. Insgeheim hatte ich gehofft, es noch eine Weile hinauszögern zu können – ungefähr ein bis zwei Jahre. »Wann genau wolltest du uns denn besuchen?«
»Morgen.«
»Oh. Wow. Das ist allerdings eine Überraschung«, erwiderte ich und kramte in meinem Hirn nach einem guten Grund, warum sie unmöglich kommen konnte. »Wie lange wolltest du denn bleiben?«
»Zwei Tage und zwei Nächte«, trällerte sie.
»Was ist mit Flügen? Hast du dich schon darum gekümmert? Im Moment sind die meisten Strecken überbucht. Kann gut sein, dass es keine Plätze mehr gibt«, wollte ich ihr den Wind aus den Segeln nehmen. Nur, weil sie von meinen Privilegien profitierte, hieß das noch lange nicht, dass sie einen Platz erhielt.
»Alles längst überprüft, Kindchen. Es gibt noch genug freie Plätze. Ich wäre um drei da und habe ein Zimmer im SoHo Grand Hotel gebucht. Ich wollte euch keine Umstände bereiten.«
»Du wohnst in SoHo?«, fragte ich. Ich wusste nicht, was mich mehr überraschte, ihr unerwarteter Besuch oder dass sie sich ein Hotelzimmer genommen hatte. Schließlich gehörte meine Mutter eher zur konservativen Fraktion, die trendigen Boutiquen nichts abgewinnen konnte.
»Außerdem habe ich uns einen Tisch im Spice reserviert. Ich habe gehört, das sei zurzeit en vogue.«
Erst SoHo und jetzt das Spice … Kann es sein, dass sie zu viele Wiederholungen von Sex and the City gesehen hat? »Vermutlich musst du dich mit meiner Wenigkeit zufriedengeben«, warnte ich sie vor. »Michael fliegt im Moment so viel, dass ich ihn selbst kaum zu Gesicht bekomme.«
Ich schob ein nervöses Lachen hinterher.
»Kein Problem, dann haben wir beide endlich mal genug Zeit, um uns so richtig zu unterhalten, meinst du nicht auch? Es ist ja schon eine halbe Ewigkeit her, dass du mal hier warst. Wann genau war das eigentlich? Vor einem Jahr? Anderthalb? Für jemanden, der kostenlos fliegen kann, lässt du dich nicht sonderlich oft blicken.«
Ich saß wie erstarrt da und atmete flach durch den Mund. Nein, Hailey, den Schuh ziehst du dir nicht an. »Einverstanden«, sagte ich nach einer kurzen Pause. »Ich bin morgen um fünf zurück. Wenn es dir nichts ausmacht, zu warten, können wir gemeinsam in die Stadt fahren.«
»Mach dir keinen Stress, ich nehme mir ein Taxi und fahr schon mal vor ins Hotel. Wir können uns später dort treffen.«
»Soll ich dich auf die Stand-by-Liste setzen lassen?«, fragte ich.
»Das wäre wunderbar. Und vielleicht kannst du mich ja für die erste Klasse einbuchen, dann wäre es perfekt.«
Bei meiner Ankunft am Broadway hatte ich mich mit dem bevorstehenden Abend abgefunden: Meine Mutter würde mich mit strengem Blick mustern und zur Begrüßung so etwas wie »Aha, so trägst du dein Haar jetzt also« sagen. Dann würde sie mich höflich anlächeln und sich erkundigen, wie’s mir gehe, nur um im selben Atemzug auf den Grund ihrer Dreitausendkilometerreise zu sprechen zu kommen. Sie würde mir die Hand auf den Arm legen, sich zu mir herüberbeugen und mit verschwörerischem Unterton in der Stimme fragen: »Und, habt ihr beide endlich einen Termin festgelegt?«
Kopfschüttelnd trat ich durch die Glastüren in das schummrige Restaurant, in dem wir uns verabredet hatten, und kämpfte mich bis zur Bar vor, wo es laut und feuchtfröhlich zuging. Mit zusammengekniffenen Augen suchte ich unter den vielen After-Work-Schwärmern nach meiner Mutter. Es wollte mir noch immer nicht so recht in den Kopf, dass ich sie ausgerechnet hier finden würde – unter New Yorks Trendsettern.
Ehe ich wusste, wie mir geschah, zog mich jemand in eine Gucci-Umarmung, und eine Parfümwolke von Christian Diors Addict schwebte über meinem Kopf. »Mom?«, fragte ich vorsichtig, befreite mich und suchte nach etwas Vertrautem in dem Gesicht der Person vor mir. War das noch dieselbe
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