Der Name Der Dunkelheit
er ansprang. Das Telefon klingelte. Sofi meldete sich mit zitternder Stimme.
Es war Henning. »Bist du schon auf dem Weg?«
»Ich muss die Scheibe freikratzen.«
»Kannst du zur Redaktion von Svenska Dagbladet kommen?«
»Wo ist die?«
»Mäster Samuelsgatan 56.«
Auf den Fiat war Verlass. Sie rangierte aus der Parklücke, schaltete das Radio ein und wechselte auf CD. Der Einzige, der ihre Stimmung jetzt heben konnte, war Jean Ferrat. Es blieb still. Erst hatte Sofi die Kälte in Verdacht. Oben an der Skånegatan hielt sie jedoch und drückte auf den Knopf, mit dem man die CD auswerfen konnte. Nichts regte sich. Sie spähte in den engen Schlitz, erkannte aber nichts. Im Handschuhfach suchte sie nach einer anderen CD. Der Schlitz schluckte sie ohne Reibereien. Also musste er zuvor leer gewesen sein. Sofi verschwendete keinen Gedanken daran, wie das möglich sein konnte, und hievte alle CDs aus dem Handschuhfach auf den Beifahrersitz. Viele waren es nicht. Sie erinnerte sich nicht daran, seit September eine andere CD im Auto gehört zu haben als die von Jean Ferrat. Nachdem sie alle Hüllen geöffnet hatte, stand fest, dass nichts am falschen Platz gelandet war.
Ein Auto zog hupend an ihr vorbei. Sofi warf einen Blick in den Rückspiegel, aber der Fiat hatte die nähere Umgebung völlig eingenebelt. Sie legte den Rückwärtsgang ein und wendete.
43
»Es muss jeden Augenblick so weit sein!«, hörte er die fröhliche Stimme der Volontärin. Sie hieß Bibi und stammte aus Madagaskar, wie sie ihm zuvor erzählt hatte, und sie war hierhergekommen, weil Frauen in ihrer Heimat viele interessante Dinge verboten waren, unter anderem Bibis Lieblingsbeschäftigung, das Fahrradfahren. Ihre winzigen Locken hatte sie zu einer luftigen Kugel frisiert. Sie trat zu Henning ans Fenster und hielt ihm seinen Kaffee hin.
»Zum Fahrradfahren hast du dir das völlig falsche Land ausgesucht«, kommentierte Henning den schwarzgrauen Anblick jenseits der Scheibe.
»Hast du jemals eine solche Kälte erlebt? Also, ich nicht!«
Sie sprach mit französischem Akzent, wodurch sich das Wetter draußen besser ertragen ließ.
»Das letzte Jahr meiner Ehe habe ich als noch ungemütlicher in Erinnerung.«
Bibi starrte ihn verständnislos an, bevor sie grinste.
»Das kann ich bestätigen«, sagte eine Stimme hinter ihnen.
Henning fuhr herum.
»Lena Axelsson. Ich bin die verantwortliche Herausgeberin.«
Beim Händeschütteln beteuerte Henning, dass ihm der Abteilungsleiter gereicht hätte.
»Es geht um Hjalmer, oder? Er ist mein Zögling. Da bin ich selbst gekommen.«
Das hätte zu plausibel geklungen, um wahr zu sein, doch bei Lena Axelsson fehlte der Gesichtsausdruck, mit denen Leute von ihrem Rang immer ihre plausiblen Erklärungen gegenüber der Polizei abgaben. Nicht das lächelnde Dementi, das
die Sache sonst abhakte. Ebenso besorgt wie offen nahm Lena Axelsson am Konferenztisch Platz.
Bibi kündigte an, die Zeitungsausgaben zu holen, um die Henning gebeten hatte, und verschwand aus dem Zimmer.
»Du bist von der Reichsmordkommission?«
Henning setzte sich nickend. Er hatte sein Erstaunen noch nicht überwunden. Für Kjell war Svenska Dagbladet die einzige Zeitung im Land, bei der man wusste, dass jenseits der Ostsee andere Länder lagen. Henning allerdings hatte sich das Tagblatt immer als in die Jahre gekommenen Kerl mit faltigem Gesicht und kariertem Jackett vorgestellt.
Lena Axelsson lächelte lieblich. Sie war eine Winzigkeit jünger als Henning, aber es konnte sich nur um Monate handeln oder gar Tage. Ihm jedenfalls kam es wie Minuten vor.
»Hat es etwas mit der Suchmeldung der Polizei zu tun?« Sie deutete auf den Stapel Zeitungen in der Mitte des Tisches. Das Phantombild hatte es in die rechte Kolumne der Tagesausgabe geschafft, bei den Revolverblättern nahm es sogar das Titelblatt ein.
Henning öffnete seine Mappe, in der er seine ausgeschnittenen Zeitungsartikel aufbewahrte. »Kannst du mir zunächst etwas über Hjalmer erzählen?«
»Er hat im Sommer bei uns begonnen und ist noch ganz frisch.«
»Wie alt ist er?«
»Vierundzwanzig.«
»Trägt er Hüte?«
»Nein. Nie. Erst im September habe ich ihn fest angestellt.« Sie nahm den Artikel über Elin und überflog ihn.
»Solche Geschichten müssen bestimmt die Anfänger machen.«
Lena nickte. »Dieser Text ist ein gutes Beispiel dafür, warum
ich große Stücke auf ihn setzte. Den Artikel über die Hochschulprüfung bringen wir ja zweimal im Jahr. Der Inhalt
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