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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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lächelte. »Was hast du mir mitgebracht?«, neckte ich sie.
    Sie lächelte und streckte mir eine Hand entgegen. Darin schimmerte etwas im Mondschein. »Einen Schlüssel«, sagte sie stolz.
    Ich nahm ihn. Er lag schön schwer in der Hand. »Das ist sehr nett«, sagte ich. »Was kann man damit aufschließen?«
    »Den Mond«, sagte sie mit ernstem Blick.
    »Oh, wie praktisch«, sagte ich und betrachtete den Schlüssel.
    »Das dachte ich auch«, sagte sie. »Wenn es im Mond eine Tür gibt, kannst du sie damit aufschließen.« Sie ließ sich im Schneidersitz auf dem Dach nieder und lächelte mir zu.
    Ich hockte mich hin und öffnete meinen Lautenkasten. »Ich habe dir etwas Brot mitgebracht.« Ich gab ihr das Brot aus der Mensa, das ich in ein Tuch eingeschlagen hatte. »Und eine Flasche Wasser.«
    »Das ist auch sehr nett«, sagte sie. Die Flasche sah in ihren Händen sehr groß aus. »Was ist denn in dem Wasser?«, fragte sie, nachdem sie den Korken herausgezogen und hineingespäht hatte.
    »Blumen«, sagte ich. »Und der Teil des Monds, der heute nicht am Himmel steht. Den habe ich auch da reingetan.«
    Sie sah mich an. »Den Mond hatte ich schon gesagt«, erwiderte sie leicht tadelnd.
    »Dann nur Blumen. Und den Glanz vom Rücken einer Libelle. Ich hätte gern ein Stück vom Mond hineingetan, aber der Glanz vom Rücken einer blauen Libelle war das Beste, was ich bekommen habe.«
    Sie trank einen Schluck. »Köstlich«, sagte sie und strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht.
    Auri wickelte das Tuch auseinander und fing an zu essen. Sie risskleine Stücke von dem Brot ab und kaute sie mit spitzem Mund, was dem Ganzen einen vornehmen Anstrich verlieh.
    »Ich mag Weißbrot«, bemerkte sie zwischendurch.
    »Ich auch«, sagte ich und setzte mich. »Wenn ich welches bekommen kann.«
    Sie nickte und betrachtete den Sternenhimmel und die Sichel des Mondes. »Und ich mag es, wenn Wolken am Himmel stehen. Aber so geht es auch. Das ist gemütlich. Wie im Unterding.«
    »Im Unterding?«, fragte ich. Sie war selten so gesprächig.
    »Ich lebe im Unterding«, erklärte Auri leichthin.
    »Und gefällt es dir dort?«
    Sie bekam leuchtende Augen. »O Gott, ja, es ist wunderbar. Und so groß.« Dann sah sie mich an. »Ich habe Neuigkeiten«, sagte sie neckisch.
    »Ja? Was denn?«, fragte ich.
    Sie aß noch ein Stück Brot und kaute zu Ende, bevor sie sprach. »Ich bin gestern Nacht ausgegangen.« Ein verschmitztes Lächeln. »Ganz oben.«
    »Tatsächlich?«, sagte ich und verhehlte mein Erstaunen nicht. »Und? Wie war’s?«
    »Es war toll. Ich habe mich umgeschaut«, sagte sie, offenkundig sehr zufrieden mit sich. »Und ich habe Elodin gesehen.«
    »Meister Elodin?«, fragte ich. Sie nickte. »War er auch ganz oben?«
    Sie nickte erneut.
    »Hat er dich gesehen?«
    Sie strahlte übers ganze Gesicht, und dabei sah sie eher wie acht aus als wie achtzehn.
    »Mich sieht keiner. Und außerdem war er damit beschäftigt, dem Wind zu lauschen.« Sie wölbte die Hände um den Mund und machte ein heulendes Geräusch. »Und gestern Nacht gab es da viel zu lauschen«, fügte sie in vertraulichem Tonfall hinzu.
    Während ich noch versuchte, mir auf das, was sie gesagt hatte, einen Reim zu machen, hatte Auri das Brot aufgegessen und klatschte nun aufgeregt in die Hände. »Jetzt spiel!«, sagte sie. »Spiel! Spiel!«
    Lächelnd nahm ich meine Laute aus dem Kasten. Auf ein begeisterteres Publikum als Auri konnte ich nicht hoffen.

Kapitel 54
    Ein Ort zum Brennen

    D u siehst heute so anders aus«, bemerkte Simmon. Wilem brummte beifällig.
    »Ich fühle mich auch anders«, gestand ich. »Gut. Aber anders.«
    Wir drei waren auf der staubigen Straße nach Imre unterwegs. Es war ein warmer, sonniger Tag, und wir hatten es nicht besonders eilig.
    »Du siehst irgendwie … ruhig und gelassen aus«, fuhr Simmon fort und strich sich mit der Hand durchs Haar. »Ich wäre gern so ruhig und gelassen, wie du aussiehst.«
    »Und ich erst«, murmelte ich.
    Simmon ließ nicht locker. »Du siehst kräftiger aus.« Er verzog das Gesicht. »Nein. Du siehst … straff aus.«
    »Straff?« Meine Nervosität entlud sich in Gelächter. »Wie kann jemand denn straff aussehen?«
    »Einfach straff eben.« Er zuckte die Achseln. »Wie eine gespannte Feder.«
    »Das liegt an seiner Körperhaltung«, sagte Wilem und brach damit sein nachdenkliches Schweigen. »Er hält sich gerade, mit hoch erhobenem Kopf, die Schultern nach hinten.« Er führte vor, was er damit

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