Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
Vom Netzwerk:
einmal lachte sie schelmisch auf. »So schuldest du mir immer noch einen Gefallen.«
    Im Saal wurde es gerade merklich stiller. Ich sah mich verwirrt um, denn ich hatte ganz vergessen, wo ich war. Denna legte sicheinen Zeigefinger vor den Mund und deutete auf die Bühne. Wir traten näher ans Geländer und schauten hinab. Ein alter, weißbärtiger Mann öffnete gerade einen seltsam geformten Instrumentenkasten. Ich stutzte erstaunt, als ich sah, was er darin hatte.
    »Was ist das?«, fragte Denna.
    »Das ist eine alte Hof-Laute«, sagte ich voller Ehrfurcht. »Ich habe selber auch noch nie eine gesehen.«
    »Das soll eine Laute sein?«, flüsterte Denna. »Ich zähle da vierundzwanzig Saiten. Wie soll denn das funktionieren? Das sind ja mehr Saiten als bei mancher Harfe.«
    »So wurden sie früher gebaut, als es noch keine Metallsaiten gab und man noch nicht wusste, wie man einen stabilen langen Hals konstruiert. Es ist unglaublich. In diesem Schwanenhals steckt mehr Handwerkskunst als in vielen Kathedralen.«
    Ich sah zu, wie der alte Mann sich auf dem Sitz niederließ. »Ich hoffe bloß, er hat sie schon gestimmt«, fügte ich leise hinzu. »Sonst müssen wir hier eine Stunde lang warten, während er an seinen Wirbeln schraubt. Mein Vater sagte immer, dass die Minstrels früher zwei Tage lang bespannen und zwei Tage lang stimmen mussten, um mal für zwei Minuten Musik aus so einer alten Hof-Laute herausholen zu können.«
    Der alte Mann brauchte aber nur etwa fünf Minuten, bis die Laute gestimmt war. Dann begann er zu spielen.
    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich keinerlei Erinnerungen an seinen Vortrag habe. Obwohl ich noch nie eine Hof-Laute gesehen, geschweige denn gehört hatte, war meine Aufmerksamkeit viel zu sehr mit Denna beschäftigt, als dass er etwas anderes hätte aufnehmen können. Während wir nebeneinander am Geländer lehnten, sah ich sie immer wieder heimlich aus dem Augenwinkel an.
    Sie hatte meinen Namen bisher nicht genannt und auch unsere gemeinsame Zeit auf Roents Karawane nicht erwähnt. Das hieß wohl, dass sie sich nicht an mich erinnerte. Und es war vermutlich auch nicht weiter verwunderlich, dass sie einen abgerissenen Jungen, den sie nur von ein paar Tagen auf der Straße kannte, bald wieder vergessen hatte. Dennoch schmerzte es mich ein wenig, denn ich hatte in den vergangenen Monaten immer wieder voller Zuneigungan sie gedacht. Es gab aber keine Möglichkeit, das jetzt anzusprechen, ohne töricht zu wirken. Lieber begann ich frisch von vorne und hoffte darauf, dass ich mich beim zweiten Mal als ihrer Erinnerung würdiger erwies.
    Das Lied war zu Ende, ehe ich mich versah, und um meine Unaufmerksamkeit wettzumachen, applaudierte ich begeistert.
    »Ich dachte, du hättest dich geirrt, als du vorhin den Refrain ein zweites Mal begannst«, sagte Denna zu mir, als der Beifall abebbte. »Ich konnte nicht glauben, dass du tatsächlich willst, dass eine Fremde in den Gesang einstimmt. So etwas habe ich noch nie erlebt – außer abends an einem Lagerfeuer.«
    Ich zuckte die Achseln. »Man hatte mir gesagt, dass hier die besten Musiker auftreten.« Ich zeigte mit großer Geste auf sie. »Und ich bin einfach davon ausgegangen, dass irgend jemand den Part beherrscht.«
    »Das hätte auch ins Auge gehen können«, sagte sie. »Ich habe darauf gewartet, dass jemand anderes einspringt. Um ein Haar wäre ich zu nervös dazu gewesen.«
    Ich sah sie verwundert an. »Warum denn das? Du hast doch eine wunderschöne Stimme.«
    Sie blickte verlegen. »Ich hatte das Lied bis dahin nur zweimal gehört. Und ich war mir nicht sicher, ob ich den Text noch ganz beherrsche.«
    »Zweimal?«
    Denna nickte. »Und das zweite Mal war vor gerade einer Spanne. Ein Paar hat es bei einem Diner in Aetnia aufgeführt.«
    »Ist das dein Ernst?«, fragte ich ungläubig.
    Sie nickte mit einem Blick, als hätte ich sie bei einer Notlüge ertappt. Eine dunkle Strähne fiel ihr ins Gesicht, und sie strich sie beiseite. »Also gut, ich habe den beiden vor dem Diner ein wenig beim Proben zugehört …«
    Ich schüttelte den Kopf und konnte es kaum glauben. »Das ist wirklich erstaunlich. Es ist eine so schwierige Melodie. Und sich den ganzen Text zu merken …« Ich staunte einen Moment lang schweigend und schüttelte den Kopf. »Du hast ein unglaubliches Ohr.«
    »Du bist nicht der erste Mann, der das sagt«, bemerkte Denna.»Aber du könntest durchaus der erste sein, der das sagt, während er meine Ohren auch

Weitere Kostenlose Bücher