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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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und Trommeln – alle spielten, tanzten und sangen, nach Herzenslust.
    Ich bekam auch Geschenke. Trip schenkte mir ein Gürtelmesser mit Ledergriff, weil er fand, jeder Junge sollte etwas haben, womit er sich wehtun könnte. Von Shandi bekam ich einen schönen, selbstgeschneiderten Umhang mit vielen kleinen Taschen für die Schätze eines Knaben. Meine Eltern schenkten mir eine Laute, ein wunderschönes Instrument aus dunklem Holz. Ich musste natürlich ein Lied darauf spielen, und Ben sang dazu. Ein paar Mal griff ich auf den Saiten des noch ungewohnten Instruments daneben, und Ben fand ein, zwei Mal nicht den Ton, aber es war dennoch schön.
    Ben machte ein Fässchen Met auf, das er »für genau so einen Anlass« aufgehoben hatte. Ich weiß noch, der Honigwein schmeckte, wie ich mich fühlte: bittersüß.
    Einige Leute hatten sich zusammengetan, um Die Ballade von Ben, dem Besten aller Brauer zu schreiben, und mein Vater trug sie so ernst und feierlich vor, als wäre es der königliche Stammbaum derer von Modegan, und begleitete sich selbst dazu auf einer kleinen Harfe. Alle lachten, bis es wehtat, und Ben lachte am meisten.
    Irgendwann an diesem Abend packte mich meine Mutter und tanzte im Kreis mit mir. Ihr Lachen klang wie verwehte Musik. Ihr Haar und ihr Rock umwirbelten mich. Sie roch tröstlich, wie nur Mütter riechen können. Dieser Geruch und der hingelachte Kuss,den sie mir gab, trug mehr dazu bei, den Abschiedsschmerz von Ben zu lindern, als all die Belustigungen zusammengenommen.
    Shandi bot Ben an, ihm einen ganz besonderen Tanz vorzuführen, aber nur, wenn er in ihr Zelt mitkäme. Ich hatte Ben noch nie erröten sehen, aber er schlug sich wacker. Erst zögerte er, und als er dann schließlich ablehnte, war ihm anzusehen, dass es ihm so schwer fiel, als müsste er sich die Seele aus dem Leib reißen. Shandi protestierte und schmollte sehr hübsch, behauptete, den Tanz lange einstudiert zu haben. Als sie Ben schließlich in ihr Zelt zerrte, wurde das von der ganzen Truppe mit Beifall bedacht.
    Trip und Teren führten einen Schwertkampf auf, der zum einen aus atemberaubenden Fechtszenen bestand, zum anderen aus einem dramatischen Monolog (von Teren vorgetragen) und schließlich auch aus Possenszenen, die Trip offenkundig improvisierte. Im Laufe des Kampfes, der sich durchs ganze Lager zog, gelang es Trip, seine Schwertklinge abzubrechen, sich unter dem Rock einer Dame zu verstecken, mit einer Wurst zu fechten und derart phantastische akrobatische Kunststücke zu vollführen, dass es ein Wunder war, dass er sich keine schweren Verletzungen zuzog. Ihm platzte lediglich der Hosenboden.
    Dax setzte sich in Brand, als er eine besonders spektakuläre Feuerspeinummer bringen wollte, und musste mit Wasser übergossen werden. Er trug aber nur einen angesengten Bart davon und einen leicht geknickten Stolz. Dank Bens liebevoller Pflege, eines Bechers Met und der Erinnerung daran, dass nicht jeder dazu geschaffen ist, Augenbrauen zu besitzen, erholte er sich schnell wieder.
    Meine Eltern sangen Das Lied von Sir Savien Traliard . Wie die meisten großartigen Lieder stammte es von Illien, und dieses Stück galt allgemein als Krönung seines Werks.
    Es ist ein wunderschönes Lied, und noch schöner wurde es dadurch, dass ich es meinen Vater bis dahin nur etwa ein halbes Dutzend Mal hatte singen hören. Es ist höllisch kompliziert, und mein Vater war wahrscheinlich der einzige in der Truppe, der ihm gerecht werden konnte. Er ließ es sich zwar nicht anmerken, aber ich spürte, dass es selbst für ihn strapaziös war. Meine Mutter sang die zweite Stimme. Wenn die beiden einatmeten, schien selbst das Feuer innezuhalten. Es griff mir ans Herz, ließ es höher schlagen und bluten. Und ich weinte – wegen der Herrlichkeit der beiden Stimmen, die so vollkommen harmonierten, und auch, weil das Lied so tragisch war.
    Ja, als das Lied zu Ende war, weinte ich. Ich weinte damals, und ich habe seither jedes Mal geweint. Selbst wenn die Geschichte vorgelesen wird, kommen mir die Tränen. Ich finde, wer sich davon nicht rühren lässt, hat keine menschlichen Gefühle.
    Nachdem sie geendet hatten, herrschte kurz Schweigen, alle wischten sich die Augen und schnäuzten sich. Dann, nachdem etwas Zeit war, sich zu erholen, rief jemand: »Lanre! Lanre!«
    Etliche weitere schlossen sich an und riefen: »Ja, Lanre!«
    Mein Vater lächelte schmerzlich und schüttelte den Kopf. Er sang niemals auch nur Teile eines Lieds, das noch nicht

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