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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Männer ebenbürtig. Er nahm eine Frau namens Lyra zur Gemahlin, und seine Liebe für sie kannte keine Grenzen.
    Lyra war über die Maßen klug und gebot über ebenso große Macht wie er. Während Lanre über die Kraft seines Armes gebot und getreue Männer befehligte, kannte Lyra die Namen der Dinge, und die Kraft ihrer Stimme vermochte Menschen zu töten oder Gewitterstürmen Einhalt zu gebieten.
    Die Jahre vergingen, und Lanre und Lyra kämpften Seite an Seite. Sie verteidigten Belen bei einem Überraschungsangriff, retteten die Stadt vor einem eigentlich übermächtigen Feind. Sie scharten Heere um sich und brachten die Städte dazu, sich untereinander zu verbünden. Im Laufe langer Jahre drängten sie die Feinde des Reichs zurück. Menschen, die vor Verzweiflung schon wie gelähmt waren, sahenerste Hoffnungsschimmer. Sie hofften auf Frieden, und sie setzten diese vagen Hoffnungen auf Lanre.
    Dann kam die Blac von Drossen Tor. Blac bedeutete im damaligen Sprachgebrauch »Schlacht«, und in Drossen Tor kam es zu der größten und schrecklichsten Schlacht dieses großen, schrecklichen Krieges. Die Heere kämpften ununterbrochen drei Tage und drei Nächte lang, bei Sonnenschein und Mondschein. Keine der beiden Seiten vermochte die andere zu schlagen, und für beide kam ein Rückzug nicht in Frage.
    Über diese Schlacht habe ich nur eines zu sagen: Es starben damals in Drossen Tor mehr Menschen, als heute auf der ganzen Welt leben.
    Lanre war stets dort, wo der Kampf am grimmigsten wütete, wo er am dringendsten gebraucht wurde. Sein Schwert verließ nie seine Hand, ruhte nie in seiner Scheide. Ganz zum Schluss, von oben bis unten mit Blut bedeckt, inmitten eines mit Leichen übersäten Feldes, stand Lanre ganz allein einem schrecklichen Widersacher gegenüber. Es war ein großes Raubtier mit einem Schuppenpanzer aus schwarzem Eisen, in dessen dunklem Atem die Menschen erstickten. Lanre kämpfte gegen das Tier an und tötete es. Er brachte seiner Seite den Sieg, doch diesen Sieg erkaufte er mit dem eigenen Leben.
    Nachdem die Schlacht beendet war, fanden Überlebende Lanres kalten, leblosen Leib neben dem Tier, das er getötet hatte. Die Nachricht von Lanres Tod legte sich über das Schlachtfeld wie ein Grabtuch der Verzweiflung. Sie hatten die Schlacht gewonnen, und das Kriegsglück war ihnen nun hold, doch jeder von ihnen verspürte eine Kälte in sich. Das Flämmchen der Hoffnung, das sie alle gehegt hatten, flackerte und verlosch. Sie hatten all ihre Hoffnung auf Lanre gesetzt, und nun war Lanre tot.
    In tiefer Stille stand Lyra bei Lanres Leichnam und sprach seinen Namen. Ihre Stimme glich einem Gebot. Ihre Stimme war aus Stahl und Stein. Ihre Stimme befahl ihm wiederaufzuerstehen. Doch Lanre blieb reglos und tot dort liegen.
    In großer Furcht kniete Lyra neben Lanres Leib nieder und hauchte seinen Namen. Ihre Stimme war eine Verlockung. IhreStimme war Liebe und Verlangen. Ihre Stimme bat, er möge wiederauferstehen. Doch Lanre blieb reglos und tot dort liegen.
    In tiefster Verzweiflung warf sich Lyra auf Lanre und sprach unter Tränen seinen Namen. Ihre Stimme war ein Flüstern. Ihre Stimme flehte, er möge wiederauferstehen. Doch Lanre blieb reglos und tot dort liegen.
    Lanre war tot. Lyra weinte gebrochenen Herzens und berührte mit zitternden Händen sein Gesicht. Ringsumher wandten Männer den Blick ab, denn das blutige Schlachtfeld war ein weniger schrecklicher Anblick als Lyras Trauer.
    Doch Lanre hörte, dass sie nach ihm rief. Lanre wandte sich um, als er ihre Stimme hörte, und ging zu ihr. Lanre kehrte aus dem Jenseits zurück. Er sprach ihren Namen und schloss Lyra in die Arme, um sie zu trösten. Er schlug die Augen auf und wischte mit zitternden Händen seine Tränen fort. Und dann tat er einen tiefen Atemzug.
    Die Überlebenden der Schlacht sahen, dass Lanre sich regte, und sie waren sehr erstaunt. Die flackernde Hoffnung auf Frieden, die jeder von ihnen so lange in seinem Innern genährt hatte, flammte nun auf wie ein loderndes Feuer.
    »Lanre und Lyra!«, riefen sie, ihre Stimmen wie Donnerhall. »Die Liebe unseres Herrn ist stärker als der Tod! Die Stimme unserer Herrin hat ihn zurückgerufen! Gemeinsam haben sie dem Tod getrotzt! Wie sollten wir gemeinsam mit ihnen nicht den Sieg erringen?«
    Und so ging der Krieg weiter, doch mit den Seit an Seit kämpfenden Lanre und Lyra erschien die Zukunft in einem weniger trostlosen Licht. Bald kannte jedermann die Geschichte davon, wie Lanre gestorben

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