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Der Narr und der Tod

Der Narr und der Tod

Titel: Der Narr und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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Clements Beobachtungen ausgerechnet diesen Schluss gezogen? Kopfschüttelnd beschloss ich, dieser Frage nicht weiter nachzugehen. Sollte ich Martin erzählen, welche Gedanken ich mir über den Mangel an Ausrüstung für Hayden in Reginas Gepäck gemacht hatte? Wahrscheinlich wäre das reine Zeitverschwendung, mein Mann wirkte absolut geistesabwesend. Daher belästigte ich ihn nicht weiter und kehrte nach unten zurück.
    Am Küchentisch las ich die Hinweise auf der Dose mit der Babynahrung gründlich durch. Mehrmals, denn ich wollte auf keinen Fall Hayden durch meine Unwissenheit schaden. Nachdem ich halbwegs Klarheit gewonnen hatte, suchte ich zusammen, was ich benötigen würde, einschließlich des Topfes, den Regina benutzt hatte. Kaum zu glauben; vor noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte ich mich hier mit Regina unterhalten, während sie die Babynahrung zubereitete.
    Während ich wartete, bis das Wasser kochte, rief ich noch einmal bei John im Krankenhaus an. Erneut erwischte ich nur meine Mutter, John befand sich gerade in einer Untersuchung.
    Unser Telefon schwieg weiterhin hartnäckig. Ein oder zwei ältere Freundinnen meiner Mutter riefen mich an, um sich nach John zu erkundigen, aber außer unserem Priester Aubrey schien niemand wissen zu wollen, wie Martin und ich mit unserer eigenen kleinen Tragödie zurechtkamen. Ich fühlte mich etwas einsam, beschloss dann aber, dass alle nur nicht wussten, was sie sagen sollten.
    Ich war gerade dabei, die fertigen Fläschchen zu verschließen, um sie im Kühlschrank unterzubringen, als mich heftiges Klopfen an der Hintertür aufschrecken ließ. Der Vorrat dürfte meiner Meinung nach bis Ohio reichen. Wobei ich nur hoffen konnte, mit meiner Einschätzung richtig zu liegen. Gab es Babynahrung auch fertig zu kaufen? So, dass man sie nur noch zu servieren brauchte? Wieso hatte ich im Laden nicht gleich nachgesehen? Die Sorge um Haydens Ernährung nahm mich derart gefangen, dass ich ein paar Sekunden brauchte, um mich darüber zu freuen, dass meine Freundin und frühere Angestellte Angel Youngblood gekommen war, und diese Freude in ein Lächeln umzuwandeln.
    Am liebsten hätte ich sie sogar zu unserer beider Überraschung umarmt – aber sie schob eine gewaltige Kugel vor sich her, die Umarmungen unmöglich machte. Angel war fast einen halben Meter größer als ich und so golden und langgliedrig wie ein Leopard. Zurzeit ein ziemlich schwangerer Leopard, aber trotzdem sah sie umwerfend aus. Angels genaues Alter hatte ich vergessen, aber ich wusste, dass sie mindestens sechs Jahre jünger war als ich. Ihr Mann Shelby war ein paar Monate älter als Martin. Die beiden hatten sich während des Krieges in Vietnam angefreundet, waren danach in ein paar verdeckte Operationen in Südamerika verstrickt gewesen und hatten sich auch nach deren Ende nicht aus den Augen verloren. Inzwischen arbeitete Shelby für Martin, und zwar als Vorarbeiter im Pan-Am-Agra-Werk in unserer Stadt.
    „Wo ist das Baby?“, wollte Angel wissen, die schon immer sehr direkt gewesen war. Ich machte Martin vom Fuß der Treppe mit einem leisen Ruf auf den Besuch aufmerksam, ehe ich Angel zu Hayden ins Schlafzimmer führte. Mein Mann hatte gerade in einer Zeitschrift gelesen (oder doch zumindest die Seiten angestarrt, als ob), legte aber die Illustrierte bei Angels Anblick sofort beiseite und schien sich ein wenig zusammenreißen zu wollen. Angel hatte allerdings kaum einen Blick für ihn übrig, sie war ganz und gar auf das winzige Babygesicht im Bettchen fixiert. Sie legte ihre rechte Hand mit den langen, zarten Fingern um Haydens Schädel, die andere auf die Kugel, unter der ihr Baby wohnte. Woraufhin sich die Kugel zusammenzog – anders war das nicht zu beschreiben –, um sich nach einer Weile wieder zu entspannen.
    Angel lächelte mir zu. „Das da drin hat keinen Platz mehr, um sich zu bewegen.“ Sie redete leise und ruhig, um Hayden nicht aufzuwecken.
    „Ist es nicht bald Zeit für die Geburt?“
    Angel nickte. „Wir sind schon einen Tag überfällig. Aber mir geht es blendend, heute wird also nicht der entscheidende Tag, nehme ich an. Das mit deinem Stiefvater tut mir leid.“ Beim Gedanken an ihren bevorstehenden Krankenhausaufenthalt war ihr sofort John eingefallen. „Wie geht es ihm denn? Wie wird deine Mutter damit fertig?“
    Meine Mutter und Angel hatten im Laufe der Zeit einen gewissen Respekt voreinander entwickelt, bei dem allerdings beide Seiten wohlweislich auf Abstand bedacht

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