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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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angesehener, sogar berühmter Politiker. Seinen Reichtum und Titel hatte er zwar geerbt, aber seine Regierungsämter und seinen Einfluss hatte er sich durch jahrzehntelangen treuen Dienst an der Krone verdient.
    Sir Anthony nickte. »Ziemlich warm heute, nicht, Jacobus.« Eine Feststellung, keine Frage.
    Dank der hyperaktiven Klimaanlage war es in dem stillen Gebäude eiskalt. Nur wenige Leute schienen so spät noch zu arbeiten. Bürokraten machten bekanntlich pünktlich Feierabend. Als Sir Anthony mit dem Lift zu seinem Büro hinauf fuhr, dachte er an das Interview, das er beim Abendessen im Old Hack einer Journalistin der Sunday Times gegeben hatte. Am besten hatte ihm die Frage gefallen: Halten Sie es für realistisch, dass die EU bis zum Ende des Jahrzehnts die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt sein wird?
    Das hatte ihm ein Lächeln entlockt. »Die 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts standen im Zeichen des japanischen Aufschwungs. In den 90er-Jahren setzten die Vereinigten Staaten wirtschaftliche Maßstäbe. Und dieses Jahrzehnt wird im Zeichen Europas stehen«, hatte er der Journalistin versichert. Es hatte gut getan, von Hyperions Ermordung abgelenkt zu werden.
    Kopfschüttelnd betrat er sein Büro und ging schnurstracks ans Fenster, von dem man einen herrlichen Blick auf Brüssels Grand-Place hatte, das besterhaltene Altstadt-Ensemble Europas. Der herrliche Platz war akzentuiert von hellen Lichtern und tiefen Schatten, deren Chiaroscuro-Effekt ihn an ein Rembrandt-Gemälde erinnerte. Beherrscht wurde das Gesamtbild vom imposanten Turm des Hôtel de Ville.
    Er ließ sich in seinen Schreibtischsessel nieder und setzte die Lesebrille auf. Er war 62 Jahre alt und nach fast vierzig Jahren immer noch mit derselben Frau verheiratet. Sie hatten zwei erwachsene Kinder. Er war ein Mann mit Prinzipien und höchsten moralischen Maßstäben. Zumindest musste er sich das in jüngster Zeit verstärkt vor Augen halten.
    Er sah die Nachrichten durch, die für ihn eingegangen waren. Da er erst am Nachmittag aus Paris zurückgekehrt war, war der Stapel hoch. Als er ein Telefon läuten hörte, blickte er zunächst zu dem Apparat auf seinem Schreibtisch. Aber von dort kam das Läuten nicht. Er holte ein Handy aus der Innentasche seiner Anzugjacke und meldete sich.
    »Kronos.«
    »Hier Duchesne«, meldete sich eine amerikanisch klingende Stimme. »Es gibt ein Problem.« Wie immer strotzte die Stimme vor Selbstsicherheit.
    »Was ist diesmal passiert?« , fragte Sir Anthony.
    »Mac wurde ermordet«, erklärte Duchesne unverblümt.
    Sir Anthony setzte sich zurück. »Wann? Wie! «
    »Er wurde mit einer Injektionsspritze im Hals in Sansboroughs Pariser Hotelzimmer gefunden.«
    »Nein! Etwa schon wieder Rauwolfia serpentina ?«
    »Das würde ins Bild passen.«
    Vor wenigen Stunden war der Laborbefund eingegangen, demzufolge sich dieses Mittel in der Spritze befunden hatte, die Mac dem Mann vor dem amerikanischen Krankenhaus abgenommen hatte. Verwandt mit handelsüblichen Beruhigungsmitteln, konnte Rauwolfia serpentina injiziert, inhaliert oder auf die Haut gesprüht werden. Das noch immer streng geheim gehaltene amerikanische Medikament, das äußerst schwer nachzuweisen war, legte das zentrale Nervensystem lahm und führte in wenigen Sekunden zum Tod. Sir Anthony vermutete, dass auch Grey Mellencamp damit umgebracht worden war.
    »Die Polizei hat einen anonymen Hinweis erhalten«, fuhr Duchesne fort. »Aber diesmal lief nicht alles so glatt wie bei der Entführung, als Flores verwundet wurde und wir die Lage von Anfang an unter Kontrolle hatten. Wenn Sie nicht Ihren Einfluss spielen lassen, besteht die Gefahr, dass diese Operation vollends aus dem Ruder läuft.«
    »Ich darf damit auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden. Das wissen Sie genau!«
    »Ich habe damit gerechnet, dass Sie das sagen würden. Macs wahre Identität braucht nie an den Tag zu kommen. Seine Doppelexistenz war bestens dokumentiert – Pass, Kreditkarten und ein Führerschein aus New Jersey. Ich habe veranlasst, dass eine Ehefrau die Herausgabe seiner Leiche beantragt, und sie wird der Polizei erzählen, er hätte Spielschulden gehabt. Sobald die Pariser Polizei zu der Auffassung gelangt, dass er Kontakte zur Unterwelt hatte, wird sie nicht sonderlich eifrig nach anderen möglichen Gründen für seine Ermordung Ausschau halten, zumal es nichts gibt, wodurch er sich mit der Schlange in Verbindung bringen ließe. Und natürlich werden wir seiner Familie

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