Der Nautilus-Plan
der verlassenen Straße stehen. Er ging vom Gas. Für die meisten Menschen kaum sichtbar, aber für ihn problemlos zu erkennen, lagen im Dunkeln zwei Männer auf der Lauer. Passenderweise ging rechts eine Seitenstraße ab. Das sah alles sehr nach einem Hinterhalt aus.
Der Friar stand sofort unter Hochspannung. So etwas war schon mehr nach seinem Geschmack. Er stieg auf die Bremse, legte den Rückwärtsgang ein, trat aufs Gas und riss das Lenkrad nach links. Als der Geländewagen, wie beabsichtigt, herumschleuderte, lenkte er ihn auf den Bürgersteig, griff nach seiner Mauser und streckte die Hand aus, um die Tür zu öffnen.
Im selben Moment durchschlug ein schallgedämpfter Schuss das Beifahrerfenster. Einen Sekundenbruchteil lang hörte er das Geräusch, wie das Knallen einer Peitsche. Und dann nicht mehr. Die Kugel bohrte sich durch sein Gehirn, trat durch das Ohr wieder aus und flog durch das Fahrerfenster. Er fiel aus dem Wagen und war bereits tot, als sein Kopf auf dem Beton aufschlug.
Der Mann, der die Kugel abgefeuert hatte, ging um den Geländewagen herum. Von seinem Hinterkopf hing ein langer schwarzer Zopf, in seiner Nasenscheidewand steckten zwei Goldstifte. Mit seiner Schwergewichtlerfigur und dem schwarzen Seidensakko wäre er hier jedem Außenstehenden deplatziert erschienen, selbst wenn er nicht gerade einen Mord begangen hätte. Aber gesehen hatten ihn nur seine eigenen Leute. Er steckte die Pistole weg. In wenigen Minuten wäre er an seinem Platz an der Tür des Velvet Menagerie zurück.
Liz hatte unruhig geschlafen. Ihre Glieder waren bleiern schwer, als sie aufwachte, und im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war. Sie hatte die Augen noch nicht geöffnet und konzentrierte sich ganz auf die Stille in der Tiefgarage, auf den schwachen Benzingeruch, auf den festen Autositz unter ihr.
Schließlich öffnete sie kaum merklich die Augen. Simon sah sie an. Sie tat so, als schliefe sie noch, und bewegte sich nicht. Seine blauen Augen waren angespannt vor Konzentration, seine Arme verschränkt. In seiner rechten Hand war die Beretta zu sehen, die linke war in der Ellbogenbeuge verborgen. Er wandte den Blick ab, um sich in der Garage umzusehen.
Angefangen von seinen geschmeidigen Bewegungen bis hin zu seinem guten Aussehen haftete ihm etwas Ungekünsteltes an, das sie ansprach, eine Lebensfreude und Abenteuerlust, die etwas Ansteckendes hatte. Ihr war auch nicht entgangen, wie er überall, wo sie hingekommen waren, die Blicke der Frauen auf sich gezogen hatte. Das lag nicht nur an seinem guten Aussehen, sondern auch an seiner Ausstrahlung. Ein bisschen raubtierhaft, sehr selbstbewusst. Er war die Sorte Mann, dem alle Frauenherzen zuflogen.
Zunächst amüsierte es sie, dass er sie im Schlaf betrachtete. Doch als er sie jetzt wieder ansah, hatte sein gebannter Blick etwas Beunruhigendes.
Sie schlug blinzelnd die Augen auf. »Irgendwelche Probleme?«
Er sah weg. »Nein. Zweimal kamen Wachmänner vorbei, aber sie haben sich nicht für unsere Ecke hier interessiert. Wie fühlst du dich?«
»Besser. Sollten wir uns nicht langsam unsere Fahrkarten besorgen?« Sie fragte sich, was sie dort oben erwartete.
»Ja, bald. Holt dich in Paris jemand ab?« Seine Miene war besorgt.
Du bist Sarah , rief sich Liz in Erinnerung. Du musst denken wie Sarah. Wieder einmal wurde ihr die Doppelbödigkeit ihrer Tätigkeit bewusst, wie mühelos sie wieder alte Gewohnheiten annahm, die Wahrheit verbarg und irgendwelche Lügen lebte.
»Asher hatte es eigentlich vor«, antwortete sie lächelnd, als dächte sie an ihn. »Aber er hat Dienst. Das macht allerdings nichts. Ich mag Paris, und ich habe alles Mögliche zu tun.«
»Rechnest du mit mehr Ärger?«
»Wie mit Tish Childs’ Killer? Sicher nicht.«
Er schien ihr nicht zu glauben. »Trägst du eine Waffe?«
»Nein, und ich habe es auch nicht vor.«
Er nahm seine verschränkten Arme auseinander und öffnete die linke Hand, sodass eine kleine, kurzläufige Pistole Kaliber .22 darin zum Vorschein kam. »Solltest du aber. Wenn dieser Kerl von jemandem angeheuert wurde, wird der Betreffende sicher weitere Killer auf dich ansetzen. Du kannst meine Ersatzpistole haben.«
»Das ist sehr nett von dir, Simon. Wirklich. Aber trotzdem danke. Ich werde keine Waffe tragen. Damit habe ich schon vor Jahren Schluss gemacht. Ende der Diskussion.«
»Nicht einmal, wenn du damit dein Leben oder das eines anderen Menschen retten kannst?«
»Es gibt immer andere Möglichkeiten,
Weitere Kostenlose Bücher