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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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und ihr die Augen verbunden hatten, waren sie der stumme Feind gewesen – unerkennbar, undurchschaubar, undurchsichtig. Sie hatten sie in einem Lift in dieses Zimmer gebracht. Aber da ihre Augen verbunden gewesen waren, hatte sie nicht einmal die Stockwerke zählen können.
    Als sie die Wand erreichte, machte sie kehrt und setzte ihren hektischen Marsch fort. Sie hatte Angst um Asher. Möglicherweise war er schon tot. Am liebsten hätte sie laut losgeschrien. Ihr schoss durch den Kopf, wie sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte – wie er wie eine zerbrochene Puppe im strömenden Regen gelegen hatte. So viel Blut. Zu viel Blut!
    Sie sehnte sich so danach, ihn zu sehen. Ihn in den Armen zu halten. Zu wissen, dass er am Leben war. Das war der Hauptgrund, weshalb sie hier rausmusste. Um ihn zu finden.
    Mit purer Willenskraft schloss Sarah ihn aus ihren Gedanken aus. Sie musste einen klaren Kopf behalten. Auf der Ranch hatte sie die Grundregeln gelernt, wie man in Gefangenschaft überlebte.
    Halten Sie vom Moment Ihrer Gefangennahme an nach einer Fluchtmöglichkeit Ausschau.
    Horten Sie alle Gegenstände, die Sie in die Hände bekommen, und verstecken Sie sie. Erfolgreiches Entkommen und Flucht hängen oft von Alltäglichem ab.
    Zeigen Sie nie Schwäche.
    Vergessen Sie nie, es gibt immer Hoffnung.
    Beschäftigen Sie Ihren Verstand, damit Angst, Isolation und Verzweiflung Sie nicht lähmen.
    Die erste Aufgabe, die sie sich stellte, war, nach versteckten Wanzen und Kameras zu suchen. Als sie keine fand, nahm sie sich das einzige Möbelstück vor – die Pritsche, die, den Spuren auf dem staubigen Linoleumboden nach zu schließen, erst vor kurzem in den Raum gezogen worden war. Sie konnte jedoch nichts Brauchbares entdecken. Nicht anders erging es ihr mit Waschbecken und Toilette.
    Die Finger beugend und streckend, schritt sie an einem Haufen Fahrradreifen vorbei, einer leeren Öldose, einer Truhe mit benutzten Kleidern, leeren Kisten mit der Aufschrift PORZELLAN, leeren Streichholzheftchen und Zigarettenschachteln, die jemand in ordentlichen Packen gesammelt hatte, und einem Berg aus Pflanzentöpfen und Untersetzern aus grünem Plastik. Sie konnte alles so genau aufführen, weil sie es gründlich untersucht hatte. Der Unordnung und den Spuren im Staub nach zu schließen, hatten ihre Entführer alles sorgfältig untersucht, bevor sie beschlossen hatten, sie hier einzuschließen. Aber eines hatten sie übersehen.
    Wieder zurück bei ihrer Pritsche, griff sie nach einem Männerhemd und steckte die Hände, um sie zu schützen, in die Ärmel. Dann hob sie ihren Schatz da, wo sie ihn hatte fallen lassen, vorsichtig vom Boden auf – ein Dornenschneider. Er war dünn und schmal. Sie hatte ihn zusammen mit ein paar Päckchen Rosendünger zwischen zwei zusammengeklebten Topfuntersetzern gefunden.
    Sie sah zum Fenster hoch, das mit einer Sperrholzplatte vernagelt war. Rechts oben, wo ihre Bewacher es am ehesten übersehen würden, hatte sie mit dem Dornenschneider drei Nägel zu lösen begonnen. Dazu hatte sie sich auf die Pritsche stellen müssen. Jetzt machte sie sich, etwa in Schulterhöhe, an der unteren Ecke zu schaffen.
    Sie lauschte. Jedes Mal, wenn sie ein Geräusch hörte, lief sie zur Tür. Normalerweise kamen sie dann in ihre Zelle, sahen sich durch ihre Strumpfmasken hindurch flüchtig darin um und ließen ihr ein Tablett mit Essen da … oder nahmen es mit. Bisher war niemand weit genug nach drinnen gekommen, um die Scharten zu bemerken, die sie in die Sperrholzplatte gehackt hatte. Schließlich ging von ihr keine große Gefahr aus. Sie war nur eine ganz gewöhnliche Journalistin.
    Als sie niemanden kommen hörte, packte sie den Dornenschneider mit beiden Händen und stieß seine Spitze in das Sperrholz. Immer wieder hackte sie, das Gesicht vor Anstrengung verzerrt, auf die Platte ein, trieb die Spitze in das Holz und zog sie wieder heraus. Holzstücke und Splitter flogen durch die Luft. Um die Abfälle an die Wand zu fegen, machte sie alle paar Minuten eine Pause.
     
     
Chantilly
    Das Château de Darmond lag inmitten sanft gewellter grüner Hügel, nicht weit von dem idyllischen Dorf Chantilly, etwa vierzig Kilometer nördlich von Paris. Dorthin war Simon in einem gemieteten Peugeot unterwegs. Die Türme und Bogengänge des imposanten Châteaus erhoben sich hinter einer hohen Steinmauer, auf der, fast unsichtbar, Drähte gespannt waren, die wahrscheinlich unter Strom standen oder mit Bewegungssensoren versehen

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