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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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Und als sie sich endlich beru higt hatte, da war es 12 Uhr 12 und 34 Sekunden.
    Frau Holle lag auf dem Bett. Max Schulz hatte die ganze Zeit abwartend auf der Kohlenkiste gesessen, hatte Sekunden gezählt und Löcher in die Luft gestarrt. Und jetzt stand Max Schulz auf, schlurfte zum Bett und setzte sich neben Frau Holle auf den Bettrand, saß steif und grinsend da - und sagte dann plötzlich: »So - jetzt ist's aber genug! 2 Stunden und eine Sekunde um so einen Kerl zu heulen - das ist doch zum Lachen!«
    »Warum ist das zum Lachen?« wollte Frau Holle wissen.
    »Weil er 10 Jahre jünger war als Sie«, sagte Max Schulz. »Und weil er ne andere gehabt hat. Und die war 20 Jahre jünger als Günter. Und das sind 30 Jahre.«
    »Was sind 30 Jahre?« fragte Frau Holle.
    »Der Altersunterschied zwischen Ihnen und der anderen«, sagte Max Schulz.
    »Ach so«, sagte Frau Holle.
    »Günter wäre sowieso nicht mehr zurückgekehrt!«
    »Ach so«, sagte Frau Holle. »So ist das - «
    Max Schulz nickte grinsend, nahm sich eine Camel, starrte Frau Holle mit großen, hellen Froschaugen an, blinzelte, dachte an Schneeflocken, dachte an schlaffe Brüste - Brüste, die bis über den Bauch hingen, vermu tete solche und ähnliche unter dem hochgeschlossenen Kleid von Frau Holle, betrachtete sinnend das Holz bein, dann die lange Wand, bemerkte auch den großen, verbogenen Nagel am Fußende des Messingbettes - den Nagel in der langen Wand.
    »Ist der für ein Bild bestimmt?«
    »Der große Nagel?«
    »Ja, der!«
    »Der ist für mein Holzbein bestimmt«, sagte Frau Holle.
    »Wenn mich das Holzbein stört - besonders im Bett und besonders nachts - dann häng ich's an den großen Nagel.«
    »Ein guter Nagel«, sagte Max Schulz.
    »Soll ich's mal dranhängen?« fragte Frau Holle.
    »Meinetwegen«, sagte Max Schulz.
    Etwas später sagte Frau Holle: »Sehen Sie das Loch in der Zimmerdecke direkt über meinem Bett? Dort guckt der Willi manchmal zu mir runter.«
    »Der ist aber jetzt draußen vor der Haustür«, sagte Max Schulz - »und der repariert immer noch sein Fahrrad - dort draußen.«
    Und Frau Holle sagte: »Ja.«
    Und Max Schulz sagte: »Der kann jetzt nicht zugucken.«
    Und Frau Holle sagte: »Ja«. Und kicherte.
    Während der Liebespausen erzählte Frau Holle, daß die Leiche hinter dem Kanonenofen ein ehemaliger amerikanischer Major gewesen sei. Und der hatte sieben Nummern geschoben mit neunundfünfzig Jahren. Und der wäre am Herzschlag gestorben.«
    »Wir müssen unbedingt die Behörden verständigen«, sagte Frau Holle. »Der kann doch nicht hier liegenbleiben!«
    »Das kann er«, sagte Max Schulz. »Und er kann es auch nicht. Auf jeden Fall ... kommt das nicht in Frage!«
    »Was kommt nicht in Frage?«
    »Das ... mit den Behörden.«
    »Warum?«
    »Weil ich von den Behörden gesucht werde.«
    »Ach so!« sagte Frau Holle.
    »Ja«, sagte Max Schulz.
    »Was machen wir dann?«
    »Ich werde ihn fortschaffen. Nach Einbruch der Dunkelheit.«
    »Eine gute Idee«, sagte Frau Holle.
    »Wir müssen ihn nur einwickeln«, sagte Max Schulz. »Am besten in einen Sack.«
    »Sie haben doch einen Sack! Können Sie den nicht ausleeren? Sind doch bestimmt nur alte Klamotten drin?«
    »Den kann ich nicht ausleeren«, sagte Max Schulz.
    »Was haben Sie denn in dem Sack? Was ist denn dort drin?«
    »Das geht Sie nichts an«, sagte Max Schulz.
    »Wir werden den Toten wieder anziehen«, sagte Max Schulz. »Hinter dem Kanonenofen hab ich 'ne Rolle Packpapier gesehen. Darin werde ich ihn einwickeln. Ich trage ihn dann im Schutz der Dunkelheit bis zum Adolf-Hitler-Platz. Und dort sind Bänke. Ich werde den Major auf eine Bank hinsetzen. Und morgen - ja -morgen - da wird es in der Zeitung stehen: Amerikanischer Major auf einer Parkbank am Herzschlag gestorben - Adolf-Hitler-Platz - in der Nähe des demolierten Führerdenkmals - hat sich der Major erschreckt? - Spuk oder kein Spuk? - fordert der Nationalsozialismus weitere Opfer? - und wann wird das ein Ende nehmen?‹«
    »Mein Gott«, sagte Frau Holle. »Sind Sie 'ne Type! Und wenn das der Führer wüßte! Der käme vom Himmel zu uns herab!«
    »Lange kann ich nicht hierbleiben«, sagte Max Schulz. »Ich habe Slavitzki gesucht und meine Mutter. Aber die sind vor den Russen geflohen. Adresse unbekannt. Ich bin also hierhergekommen. Aber lange kann ich nicht bleiben. Ich muß untertauchen. Irgendwie! Und irgendwo! Vielleicht Südamerika. Vielleicht auch nicht. Und einen anderen Namen. Und eine andere

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