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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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schneiden.«
    »Könnt' ich schon«, sagte Max Schulz. »Aber ich bin kein Damenfriseur.«
    »Was denn?«
    »Ein Herrenfriseur.«
    »Und kann so einer nicht auch Damen die Haare schneiden?«
    Max Schulz grinste: »Solchen Damen wie Sie eine sind ... das ließe sich schon machen.«
    »Mein Haar ist zu lang«, sagte Frau Holle ... »und strähnig ... und färben möchte ich's auch.«
    »Mal sehen«, sagte Max Schulz. »Ich trag mein Geschäft nicht mit mir herum ... und in dem großen Sack ... da ist was anderes drin ... das hat mit meinem Handwerk nichts zu tun. Aber lassen Sie mich mal nachdenken.«
    »'ne Schere hab ich«, sagte Frau Holle. »Und 'n Kamm ... den hab ich auch. Und was zum Haarefärben ... das hab ich auch.«
    »Na schön«, sagte Max Schulz ... »vielleicht morgen oder übermorgen oder nächste Woche.«
    »Oder noch heute«, sagte Frau Holle. »Vergessen Sie nicht, daß eine Frau auch im Bett besser ist, wenn sie weiß, daß sie gut aussieht.«
    »Heute nicht«, sagte Max Schulz. »Heute bestimmt nicht."
    »In Laubwalde ... da hab ich nicht mehr an meinen Beruf gedacht«, sagte Max Schulz. »Aber nachher ... als alles vorbei war.«
    »Ja«, sagte Frau Holle.
    »Irgendwas muß der Mensch machen«, sagte Max Schulz. »Und der Krieg ist vorbei.«
    »Machen Sie schwarzen Markt«, sagte Frau Holle. »Das machen heute viele.«
    »Ich werd's versuchen«, sagte Max Schulz. »Aber das kann man nicht immer machen ... den schwarzen Markt ... vielleicht eine Zeitlang ... und einmal muß das aufhören ...«
    »Dann werden Sie einen Friseurladen aufmachen?«
    »Sie meinen ... einen Friseursalon!«
    »Ja. Einen Friseursalon.«
    »Darauf können Sie Gift nehmen«, sagte Max Schulz. »Irgendwas muß der Mensch machen. Und der Friseurberuf ... das ist ein anständiger Beruf.«
    »Ein schöner Beruf, find' ich«, sagte Frau Holle. »Das hat was an sich - wie sagt man doch?«
    »Was Künstlerisches«, sagte Max Schulz ... »ein guter Friseur ist ein Künstler ... aber einer, der auch sein Brot verdient ... und einer, der seine Familie ernähren kann.«
    »Aber Sie haben doch keine Familie?«
    »Das kommt auch noch«, sagte Max Schulz.
    »Ein schöner Beruf«, sagte Frau Holle.
    »Das mit Laubwalde ... das ist vorbei«, sagte Max Schulz. »Jetzt gibt's nur noch eins ...«
    »Und was ist das?« wollte Frau Holle wissen.
    »Wieder Wurzeln schlagen«, sagte Max Schulz, »und wieder ein anständiges Leben führen.«
    »Sagen Sie mir doch, was in dem Sack drin ist!«
    Max Schulz zögerte. Dann sagte er langsam: »Goldzähne« ... obwohl er das gar nicht hatte sagen wollen.
    Frau Holle tat einen erschreckten Ausruf, zog das eine Bein ein, setzte sich halb auf, starrte Max Schulz an.
    »Und ein paar alte Klamotten obendrauf«, sagte Max Schulz ... »auch Lebensmittel ... obendrauf ... und ein Tagebuch ... und ein Gebetbuch ... das auch.«
    »Ein Gebetbuch? Ein Tagebuch?«
    »Ja.«
    »Und untendrunter?«
    »Goldzähne«, sagte Max Schulz.
    »Goldzähne«, flüsterte Frau Holle.
    »Ja«, sagte Max Schulz.
    »Und was wollen Sie mit den Zähnen machen?« frag te Frau Holle.
    »Ein neues Leben anfangen«, sagte Max Schulz.
8.
    Kurz nach drei Uhr wurde Max Schulz hungrig. Auch Frau Holle hatte einen Mordshunger.
    Max Schulz half ihr beim Feuermachen, zerkleinerte Holzklötzchen, reinigte den Ofen, entdeckte einen Pappkarton in der Kohlenkiste, füllte ihn mit Asche- und Kohlenresten, ging hinaus, leerte ihn hinter dem Haus im Trümmerfeld, blieb dort eine Weile, pinkelte, guckte nach dem Stand der Sonne, rechnete sich aus, wie lange es wohl dauern würde, bis es dunkelte, fragte sich, ob die Leiche, die er dann wegtragen würde, nicht zu schwer wäre, dachte: wahrscheinlich nicht - dachte: ein Bad müßtest du nehmen; du stinkst wie ein Ziegenbock.
    Wieder im Zimmer, sagte er zu Frau Holle: »Bin seit mehr als vier Monaten unterwegs. Gewaschen hab ich mich ab und zu. Aber kein richtiges Bad genommen.«
    »Willis Mutter hat eine Sitzwanne«, sagte Frau Holle. »Die könnte ich borgen.«
    »Ja, machen Sie das«, sagte Max Schulz.
    »Nur das Wasser«, sagte Frau Holle ... »das müssen Sie selber holen. In der Fleischerstraße ist eine große Pumpe.«
    Max Schulz nickte. Er machte den Sack vorsichtig auf, holte eine lange Salami hervor, hartgekochte Eier, einen Laib Brot, gab diese Frau Holle, machte den Sack wieder zu, sagte: »So ... das und die Cornedbeefkon serven ... das wird ein Festessen. Und Whisky haben wir ja auch.«
    Während

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