Der Nebel weicht
hochgewachsener Mann mit hängenden Schultern, müdem Gesichtsausdruck und ruhiger, geduldiger Sprechweise, sonst nichts. Auch die Bäume waren immer noch grün, hinter einem Rosenstrauch schimpfte ein Vogel, und auf der Lehne der Bank saß eine kobaltblaue Fliege.
Brock erinnerte sich undeutlich an die Predigten, die er bei den seltenen Gelegenheiten gehört hatte, wo er in die Kirche gegangen war. Das Ende der Welt … Würde sich der Himmel über ihm auftun, würden die Engel die Schalen des Zorns auf die erzitternde Erde ausleeren, und würde Gott erscheinen, um über die Söhne der Menschen Gericht zu halten? Er lauschte angestrengt nach dem Geräusch schwerer galoppierender Hufe, hörte aber nur den Wind in den Bäumen.
Das war das schlimmste. Der Himmel war gleichgültig. Die Erde drehte sich auch weiterhin durch die dunkle und schweigende Unendlichkeit, und was sich innerhalb der dünnen, wimmelnden Schicht auf ihrer Oberfläche abspielte, war unwichtig. Niemand achtete darauf, es war bedeutungslos.
Brock blickte auf seine abgeschabten Schuhe hinunter und dann auf die starken, behaarten Hände zwischen seinen Knien. Sie schienen ihm unglaublich fremd, die Hände eines anderen. Herr Jesus, dachte er, geschieht dies alles wirklich?
Er packte Joe und drückte ihn fest an sich. Ganz plötzlich hatte er das wilde Verlangen nach einer Frau, nach jemandem, der ihn festhielt, der mit ihm sprechen würde, um ihn in die Einsamkeit des Himmels zu verbannen.
Er erhob sich, kalter Schweiß bedeckte seinen Körper, und ging zu Bergens Hütte. Es war jetzt seine, nahm er an.
Voss war ein junger Bursche – ein Stadtjunge, der nicht besonders schlau war und keine andere Arbeitsmöglichkeit gefunden hatte. Er blickte mürrisch von einem Buch auf, als der andere Mann das kleine Wohnzimmer betrat.
„Also“, meinte Brock, „Bill ist weg.“
„Ich weiß. Was machen wir jetzt?“ Voss hatte Angst; er war schwach und gern bereit, sich leiten zu lassen. Bergen mußte das vorausgesehen haben. Das Gefühl von Verantwortung wuchs.
„Es wird uns gutgehen, wenn wir hierbleiben“, sagte Brock. „Einfach abwarten und weitermachen – das ist alles.“
„Die Tiere …“
„Du hast eine Pistole, oder? Außerdem wissen sie, wann es ihnen gutgeht. Sei einfach nur vorsichtig, schließe immer die Gatter hinter dir, behandle sie gut …“
„Ich werde kein einziges Viech bedienen“, entgegnete Voss mürrisch.
„Doch, genau das wirst du tun.“ Brock ging zum Kühlschrank, entnahm ihm zwei Dosen Bier und öffnete sie.
„Hör zu, ich bin klüger als du und …“
„Und ich bin stärker als du. Wenn es dir nicht paßt, kannst du gehen. Ich bleibe hier.“ Brock reichte Voss eine Dose und setzte die zweite an den Mund.
„Sieh mal“, sagte er nach einem Moment, „ich kenne diese Tiere, sie leben hauptsächlich nach ihren Gewohnheiten. Sie bleiben hier, weil sie nicht wissen, ob es ihnen anderswo besser geht, und weil wir sie füttern und weil … äh … ihnen der Respekt vor den Menschen anerzogen wurde. In den Wäldern gibt es keine Bären und Wölfe, nichts, was uns Ärger machen könnte, mit Ausnahme der Schweine vielleicht. Ich für mein Teil hätte mehr Angst davor, in einer Stadt zu sein.“
„Wieso?“ Voss schien seinen Widerstand schon aufgegeben zu haben. Er legte das Buch zur Seite und griff nach dem Bier. Brock blickte auf den Titel: „Nacht der Leidenschaft“, ein Schundroman. Voss mochte jetzt einen besseren Verstand haben, aber das änderte ihn ansonsten überhaupt nicht. Er wollte einfach nicht denken.
„Wegen der Menschen“, antwortete Brock. „Gott allein weiß, was sie schon jetzt alles anstellen.“ Er schaltete das Radio an und stellte Nachrichten ein. Davon hatte er allerdings nicht viel:
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