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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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und den Talg, viel­leicht lie­ßen sich so­gar die Kno­chen zu ir­gend et­was ver­wen­den.
    Aber wel­ches Schaf soll­te er op­fern?
    Brock hat­te kei­ne be­son­de­re Vor­lie­be für Ge­or­gi­na, aber sie war ein gu­tes Mut­ter­tier, das er nicht schlach­ten durf­te, wenn er den Fort­be­stand der Her­de si­chern woll­te. Jo­se­phi­ne, die Fröh­li­che, Ma­rie, die zu­trau­lich nä­her kam, die ko­ket­te Mar­gy, die scheue Jer­ri und die bra­ve Elea­nor – wel­chen sei­ner Freun­de wür­de er schlach­ten und es­sen?
    Laß den Un­sinn, be­fahl er sich selbst. Du hast dich längst ent­schie­den.
    Er pfiff nach Joe und öff­ne­te gleich­zei­tig das Gat­ter. Die Scha­fe sa­hen neu­gie­rig zu ihm hin­über, wäh­rend sie nach be­en­de­ter Mahl­zeit zu dem Schup­pen zu­rück­wan­der­ten, in dem sie vor dem Wet­ter Zu­flucht fan­den. „Bring Psy­che her, Joe“, sag­te Brock.
    Der Hund schoß au­gen­blick­lich wie ei­ne kup­fer­ne Flam­me über die Grä­ben.
    Me­hi­ta­bel kam aus dem Hüh­ner­haus und war­te­te ru­hig dar­auf, ih­ren Auf­trag er­fül­len zu kön­nen. Sie hielt ein Mes­ser in der Hand.
    Joe stieß Psy­che an, und das Schaf dreh­te ver­wun­dert den Kopf nach ihm um. Der Hund kläff­te und stieß ihm den Kopf zwi­schen die Rip­pen, bis das Tier sich in Be­we­gung setz­te. Psy­che blieb vor Brock ste­hen und sah zu ihm auf.
    „Komm, Mäd­chen“, sag­te er. „Hier her­über.“
    Er schlug das Gat­ter wie­der zu und schob den Rie­gel vor. Joe trieb Psy­che wei­ter vor sich her, bis sie hin­ter dem Hüh­ner­haus au­ßer Sicht­wei­te der Her­de war.
    Die Schwei­ne wa­ren schon von An­fang an stark und in­tel­li­gent ge­we­sen und hat­ten zu­dem in frü­he­ren Zei­ten oft ge­nug mit­er­lebt, wie ih­re Art­ge­nos­sen von Men­schen ge­schlach­tet wur­den. Aber die Scha­fe wa­ren völ­lig ah­nungs­los. Brock hoff­te, daß sie sich nicht wei­ter dar­über wun­dern wür­den, wenn ih­re Zahl sich im Lauf des Win­ters wei­ter ver­rin­ger­te. Aber wenn die Men­schen auch wei­ter­hin von Tie­ren le­ben woll­ten, muß­ten sie ih­nen ei­ne Art … nun, ei­ne Art Re­li­gi­on ein­imp­fen, die Op­fer for­der­te.
    Brock schau­der­te bei die­sem Ge­dan­ken. Er war nicht für die Rol­le ei­nes Mo­lochs ge­schaf­fen. Die Mensch­heit war auch so schon ver­derbt ge­nug, sie muß­te sich nicht erst in ei­ne Ras­se blut­trin­ken­der Göt­ter ver­wan­deln.
    „Hier, Psy­che“, sag­te er.
    Sie blieb ru­hig ste­hen und sah zu ihm auf. Erst als Brock sich die Hand­schu­he aus­zog, leck­te ih­re Zun­ge warm und feucht an der schwit­zen­den Haut. Und als er sie hin­ter den Oh­ren kraul­te, blök­te sie sehr lei­se und dräng­te sich nä­her an ihn.
    Plötz­lich wur­de ihm die Tra­gö­die der Tie­re be­wußt. Sie wa­ren ein­fach nicht auf die­se er­höh­te In­tel­li­genz vor­be­rei­tet. Der Mensch mit sei­nen Hän­den und sei­ner Spra­che muß­te als den­ken­des We­sen auf­wach­sen; er war mit sei­ner In­tel­li­genz ver­traut. Selbst ih­re plötz­li­che Zu­nah­me be­las­te­te ihn nicht über­mä­ßig, weil sein In­tel­lekt schon im­mer po­ten­ti­ell un­be­schränkt ge­we­sen war.
    Aber die an­de­ren Ge­schöp­fe hat­ten in Har­mo­nie ge­lebt, in­dem sie sich von ih­ren In­stink­ten durch die großen Rhyth­men der Welt lei­ten lie­ßen, oh­ne mehr In­tel­li­genz zu be­sit­zen, als für das Über­le­ben er­for­der­lich war. Sie wa­ren stumm, wuß­ten es aber nicht; we­der Ver­lan­gen noch Ein­sam­keit oder ver­blüff­tes Stau­nen quäl­te sie. Jetzt aber wa­ren sie plötz­lich in die­se ab­strak­te Un­er­meß­lich­keit ge­wor­fen, für die sie nicht ge­schaf­fen wa­ren, die sie über­for­der­te und aus dem Gleich­ge­wicht brach­te. Ihr In­stinkt, der stär­ker war als beim Men­schen, re­vol­tier­te ge­gen das Neue, Frem­de, und ein Ge­hirn, das nicht auf Kom­mu­ni­ka­ti­on ab­ge­stimmt war, konn­te nicht ein­mal aus­drücken, was nicht mehr stimm­te.
    Die un­ge­heu­re, gleich­gül­ti­ge Grau­sam­keit des Gan­zen war ein bit­te­res Wür­gen in Brocks Keh­le. Sein Blick ver­schwamm, aber mit ei­nem wil­den, ver­zwei­fel­ten Ruck warf er das Schaf zu Bo­den, riß den Kopf

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