Der Nebel weicht
und den Talg, vielleicht ließen sich sogar die Knochen zu irgend etwas verwenden.
Aber welches Schaf sollte er opfern?
Brock hatte keine besondere Vorliebe für Georgina, aber sie war ein gutes Muttertier, das er nicht schlachten durfte, wenn er den Fortbestand der Herde sichern wollte. Josephine, die Fröhliche, Marie, die zutraulich näher kam, die kokette Margy, die scheue Jerri und die brave Eleanor – welchen seiner Freunde würde er schlachten und essen?
Laß den Unsinn, befahl er sich selbst. Du hast dich längst entschieden.
Er pfiff nach Joe und öffnete gleichzeitig das Gatter. Die Schafe sahen neugierig zu ihm hinüber, während sie nach beendeter Mahlzeit zu dem Schuppen zurückwanderten, in dem sie vor dem Wetter Zuflucht fanden. „Bring Psyche her, Joe“, sagte Brock.
Der Hund schoß augenblicklich wie eine kupferne Flamme über die Gräben.
Mehitabel kam aus dem Hühnerhaus und wartete ruhig darauf, ihren Auftrag erfüllen zu können. Sie hielt ein Messer in der Hand.
Joe stieß Psyche an, und das Schaf drehte verwundert den Kopf nach ihm um. Der Hund kläffte und stieß ihm den Kopf zwischen die Rippen, bis das Tier sich in Bewegung setzte. Psyche blieb vor Brock stehen und sah zu ihm auf.
„Komm, Mädchen“, sagte er. „Hier herüber.“
Er schlug das Gatter wieder zu und schob den Riegel vor. Joe trieb Psyche weiter vor sich her, bis sie hinter dem Hühnerhaus außer Sichtweite der Herde war.
Die Schweine waren schon von Anfang an stark und intelligent gewesen und hatten zudem in früheren Zeiten oft genug miterlebt, wie ihre Artgenossen von Menschen geschlachtet wurden. Aber die Schafe waren völlig ahnungslos. Brock hoffte, daß sie sich nicht weiter darüber wundern würden, wenn ihre Zahl sich im Lauf des Winters weiter verringerte. Aber wenn die Menschen auch weiterhin von Tieren leben wollten, mußten sie ihnen eine Art … nun, eine Art Religion einimpfen, die Opfer forderte.
Brock schauderte bei diesem Gedanken. Er war nicht für die Rolle eines Molochs geschaffen. Die Menschheit war auch so schon verderbt genug, sie mußte sich nicht erst in eine Rasse bluttrinkender Götter verwandeln.
„Hier, Psyche“, sagte er.
Sie blieb ruhig stehen und sah zu ihm auf. Erst als Brock sich die Handschuhe auszog, leckte ihre Zunge warm und feucht an der schwitzenden Haut. Und als er sie hinter den Ohren kraulte, blökte sie sehr leise und drängte sich näher an ihn.
Plötzlich wurde ihm die Tragödie der Tiere bewußt. Sie waren einfach nicht auf diese erhöhte Intelligenz vorbereitet. Der Mensch mit seinen Händen und seiner Sprache mußte als denkendes Wesen aufwachsen; er war mit seiner Intelligenz vertraut. Selbst ihre plötzliche Zunahme belastete ihn nicht übermäßig, weil sein Intellekt schon immer potentiell unbeschränkt gewesen war.
Aber die anderen Geschöpfe hatten in Harmonie gelebt, indem sie sich von ihren Instinkten durch die großen Rhythmen der Welt leiten ließen, ohne mehr Intelligenz zu besitzen, als für das Überleben erforderlich war. Sie waren stumm, wußten es aber nicht; weder Verlangen noch Einsamkeit oder verblüfftes Staunen quälte sie. Jetzt aber waren sie plötzlich in diese abstrakte Unermeßlichkeit geworfen, für die sie nicht geschaffen waren, die sie überforderte und aus dem Gleichgewicht brachte. Ihr Instinkt, der stärker war als beim Menschen, revoltierte gegen das Neue, Fremde, und ein Gehirn, das nicht auf Kommunikation abgestimmt war, konnte nicht einmal ausdrücken, was nicht mehr stimmte.
Die ungeheure, gleichgültige Grausamkeit des Ganzen war ein bitteres Würgen in Brocks Kehle. Sein Blick verschwamm, aber mit einem wilden, verzweifelten Ruck warf er das Schaf zu Boden, riß den Kopf
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