Der Nebelkönig (German Edition)
Brandflecken übersäten Platte zu scheuern. Das bräunlich
graue, eiskalte Wasser schüttete sie in den Abfluss, stellte den Eimer in den
Spülstein und drehte mit beiden Händen wieder den großen Hahn auf. Sie sah zu,
wie das Wasser in den Eimer schäumte, und fragte sich träumerisch, wer wohl die
Pumpe bedienen mochte, die das Wasser hierher in die Apotheke beförderte. War das
ein ähnlicher Zauber wie der Wolfskopf Transport?
Der Eimer war voll, sie drehte
den Hahn wieder zu und hievte das schwere Ding aus dem Spülstein. Dann schürzte
sie ihren Rock und schob die Bürste mit beiden Händen über den Boden.
Die Tür öffnete sich und stieß
gegen ihre Füße. »Was machst du da?«, fragte der Apotheker.
Sallie richtete sich auf und
wischte sich mit dem Handrücken ein paar Haare aus der Stirn. »Ich scheuere«,
erklärte sie würdevoll.
Magister Korben spitzte die
Lippen. »Das ist nicht deine Aufgabe«, sagte er. Er stellte einen Korb auf den
Tisch und strich mit den Fingern über die blitzsaubere Tischplatte, wobei er
missbilligend schniefte. »Du bist meine Gehilfin, kein Scheuermädchen.« Er
schob den Korb zu ihr hinüber. »Du solltest jetzt etwas frühstücken. Und dann
suchen wir dir einen Schlafplatz.« Er zog die Jacke aus und hängte sie über
eine Stuhllehne, dann band er sich eine Schürze um, was Sallie an dem eleganten
kleinen Mann überaus ulkig fand.
Sie gluckste und machte sich
über den Korb her. Wie hungrig sie war, bemerkte sie erst, als der Duft von
frischem Brot in ihre Nase stieg.
»Kann ich nicht immer hier
schlafen?«, fragte sie mit vollem Mund. »Ich brauche nicht viel Platz.« Es war
schön im Hinterzimmer, so versteckt und ruhig. Dies war das erste Zimmer, in
dem sie ganz allein sein konnte, und sie wollte es nicht so schnell wieder
gegen einen Platz in einem Schlafsaal tauschen.
Der Apotheker, der schon
wieder anfing, Unordnung in die aufgeräumten Regale zu bringen, legte einige
kleine Papiertüten auf den Tisch und stellte den großen Mörser daneben. »Nein«,
sagte er kurz.
Sallie kannte diese Art von
Nein, die kein Bitten und kein Widerspruch erschüttern konnte. Sie aß ihr
Frühstück, klopfte die Krümel von ihrer Schürze und wischte mit der Hand die
Tischplatte sauber. »Was soll ich jetzt tun, Meister Korben?«
Er warf eine Handvoll kleiner
blauvioletter Körnchen in den Mörser. »Reib sie ganz fein.«
Sallie griff begeistert nach
dem Stößel. Die Samenkörnchen platzten unter seinem Druck und gaben feine,
zischende Geräusche von sich. Es duftete zart nach Seife und Brennnesseln.
Magister Korben wühlte in
einem riesigen Korb herum, es raschelte und kraspelte und knisterte und gruschelte,
und rechts und links fielen Kistchen und Kräutchen, Blättchen, Kästchen und
Tütchen und abgebrochene Zweiglein heraus, dass es nur so in die frisch
gewienerte Apotheke hineinrieselte und bröckelte und staubte. Sallie seufzte.
»Gut so?«, fragte sie und
hielt dem Apotheker den Mörser hin.
Er nickte, ohne hineinzublicken,
und drückte prüfend ein Kräutersträußchen zwischen den Fingern. »Riech einmal
daran. Was würdest du sagen?«
Sallie zuckte ratlos mit den
Achseln. Sie zerrieb ein trockenes Blättchen zwischen den Fingern und roch ein
zweites Mal daran. »Scharf wie Pfefferminz«, sagte sie. »Und ein bisschen
Apfel.«
Korben legte die Kräuter auf
den Tisch. »Apfel«, sagte er. »Du hast eine gute Nase. Das ist wichtig in unserem
Metier.«
Er tauchte wieder in den Korb
und wühlte weiter darin herum. Sallie hörte, wie er leise durch die Zähne
pfiff. Sie betrachtete ihn, als hätte sie ihn nie zuvor gesehen. Es war schwer
zu sagen, wie alt er sein mochte. In seinem lackschwarzen Zopf war kein
einziges weißes Haar zu sehen, aber ebenso wie der Graue Herr war er offensichtlich
kein junger Mann mehr. Er lebte hier im Haus, in dem Zeitgefängnis, das die
Katzenkönigin für den Nebelkönig und seine Gefolgsleute errichtet hatte. Auf
welchen Wegen mochte er hierhergelangt sein?
»Warum seid Ihr hier, Meister
Korben?«, fragte sie.
Das Pfeifen hörte abrupt auf.
Sein Gesicht tauchte über dem Korbrand auf, Verblüffung malte sich darauf.
»Warum bin ich was?«
»Hier im Haus.« Sie zögerte,
weil ihre Frage ihn so offensichtlich aus der Fassung brachte. War es möglicherweise
ungehörig, eine solche Frage zu stellen?
Der Apotheker richtete sich
auf und stützte sich auf den Tisch. Die Ärmel seines weißen Hemdes waren
staubig und kleine Flocken
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