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Der Nebelkönig (German Edition)

Der Nebelkönig (German Edition)

Titel: Der Nebelkönig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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von trockenen Kräutern hingen an den Manschetten.
    »Du bist sehr – geradeheraus«,
sagte er. »Du weißt, wo wir uns befinden?«
    Sallie nickte. Seine Miene war
nicht zu deuten, und sie war sich nicht sicher, ob sie ihn gekränkt oder geärgert
hatte.
    Er zog sich den Stuhl heran
und kramte in den Taschen seiner Jacke herum. Aus ihr holte er ein Tabakbeutelchen
und eine kurze Pfeife heraus und deutete stumm auf einen Hocker. Sallie setzte
sich und legte die rot geschrubbten Hände in den Schoß. Sie sah zu, wie er die
Pfeife stopfte und in Brand setzte. Er entließ mit gespitzten Lippen eine
kleine Rauchwolke, die langsam zerfasernd zur Decke segelte, und lehnte sich
zurück. »Warum ich hier bin ...«, sagte er nachdenklich. »Das gibt eine lange
Antwort auf eine kurze Frage, kleine Sallie.«
    »Ich mag lange Antworten«,
erwiderte sie.
    Er lachte und streckte mit
einem Ächzlaut das lahme Bein aus. »Ich korrigiere: mutige kleine Sallie. Nun gut. Lass mich sehen, wo ich
beginne.«
    Sie betrachtete ihn, wie er an
seiner Pfeife sog und nachdachte.
    »Ich muss dir also nicht
erklären, was dies hier ist«, er machte eine ausholende Bewegung mit der Hand,
die die Pfeife hielt, und wartete Sallies Nicken ab, ehe er fortfuhr: »Du
willst wissen, wie ich hierhergelangt bin? Nun, um es kurz zu machen: Ich habe
mich dazu entschieden, einem Freund in die Verbannung zu folgen.«
    Sallie hob fragend die
Augenbrauen. Korben blies einen Rauchkringel zu ihr hin. »Dein Gesicht spricht
Bände«, spottete er. »Entschieden, Meister Korben? Niemand ist freiwillig hier.
Das denkst du doch, oder?«
    Sallie wartete.
    Er fuhr fort: »Dennoch nenne
ich es eine freiwillige Sache, denn ich habe mich entschieden, dem Wolf zu
folgen und nicht der Katze. Und damit war mein Schicksal entschieden.«
    Sallie runzelte die Stirn.
»Ihr wart sein Freund«, sagte sie.
    Der Apotheker betrachtete die
Glut im Kopf seiner Pfeife. »Ich war sein Freund«, bestätigte er. »Und ich war
Sarahs Freund. Wir waren zu dritt, und dann waren wir plötzlich nur noch zwei
und eins. Keine schöne Geschichte, Sallie. Nichts, woran man gerne
zurückdenkt.«
    »Ihr habt sie also wirklich
verraten.« Sallie mochte es nicht glauben. »Redzep hat Euch einen Verräter
genannt und ich habe ihm nicht geglaubt.«
    Zu ihrem Erstaunen lachte der
Apotheker. »Redzep, der arme, verrückte Junge. Für ihn ist doch jeder ein
Verräter. Und wahrscheinlich hat er damit sogar recht.«
    Sallie wollte sich nicht
ablenken lassen. »Also gehört ihr zum Gefolge des Nebelkönigs«, sagte sie. »Ihr
habt großes Unheil über die Welt gebracht.« Ihre Worte klangen ein wenig
vorwurfsvoll, wie sie selbst fand.
    Korben legte den Kopf schief
und betrachtete sie reglos mit seinen lakritzschwarzen Augen. »Großes Unheil«,
bestätigte er. Diese Tatsache schien ihn nicht allzu sehr zu berühren. Sallie
spürte, wie eine kleine Zornblume in ihr aufblühte. »Aber das ist doch
schlimm«, sagte sie heftig.
    Er zuckte mit seiner
missgestalteten Schulter. »Nun ja. Es ist lange her, Kind. Dort draußen dürfte
niemand mehr leben, der sich daran noch erinnert.«
    Er stand auf und hob einen
Wasserkessel vom Feuer. »Es gibt Kräuter, die Fieber senken, Kräuter, die
Schmerzen lindern, Kräuter, die Blut stillen oder ruhigen Schlaf bescheren. Es
gibt aber auch andere Kräuter – solche, die betäuben, solche, die krank machen,
und solche, die töten.«
    Er warf Blätter von dem
Kräuterbündel, an dem er Sallie hatte riechen lassen, in einen Becher und goss
heißes Wasser darüber. Dann schob er Sallie den Becher hin und stützte das Kinn
auf die Hände. Sein Blick war aufmerksam und kühl.
    Sallie erwiderte den Blick
nicht ohne Unbehagen. Was sollte sie nun tun? Von dem Gebräu trinken? Daran
riechen?
    Sie zog den Becher heran und
wedelte mit der Hand ein wenig von dem aufsteigenden Dampf in ihre Nase. Der
Aufguss roch frisch und ein wenig scharf.
    »Probier den Tee«, sagte
Korben.
    Sallie hob den Becher an die
Lippen, ohne Korben aus den Augen zu lassen. Erschien ihr sein Blick nicht
höhnisch, seine Miene bösartig und verschlagen?
    Sie schloss die Augen und
trank. Die Schärfe biss auf ihrer Zunge und verwandelte sich in ihrer Kehle in
sanfte Wärme. Sallie leckte sich über die Lippen.
    »Sternminze ist ein guter Tee,
wenn der Hals kratzt oder die Nase läuft«, erklärte Korben und nahm das
Kräuterbündel in die Hand. Er legte ein anderes Bündel daneben, das dem ersten
glich wie ein

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