Der Neid eines Fremden
Moderatorin der beliebten Hörersendung Rosas Karussell, hat eine Morddrohung erhalten. Wie wir Ihnen jetzt mitteilen können, ist diese Nachricht, die auf eine Kassette aufgenommen und auf geschickte Weise ins Gebäude geschmuggelt wurde, die letzte in einer ganzen Reihe von äußerst unangenehmen Angriffen auf diese bekannte und beliebte Persönlichkeit.«
Gegen ihren Willen begann Rosa zu schmunzeln. Wie typisch für Toby! Statt ihre Unruhe zu steigern, wirkte diese melodramatische Ansage seltsamerweise beruhigend. Die Übertreibungen schienen auf sie eine umgekehrte Wirkung zu haben, denn sie ließen das Band nicht wichtiger sondern unwichtiger erscheinen. Natürlich war sie meilenweit davon entfernt, es als einen Witz zu nehmen. Das würde sie nie können. Doch der Polizist hatte wahrscheinlich recht. Es war ein armer kleiner Perverser, der verzweifelt um Aufmerksamkeit kämpfte, und sie gewählt hatte, um sich an ihr abzuarbeiten. Was hatte Leo noch gesagt? Wenn es ein Montag ist, muß es Gilmour sein? Sie stand auf und setzte sich schnell wieder hin. Duffys Whisky, den sie auf leeren Magen getrunken hatte, hatte sie schwindelig gemacht. Sie hatte gerade noch Zeit, sich den Magen mit Sandwiches und Fischfrikadellen zu füllen, bevor sie nach Hause fuhr. Sie fragte sich, ob Duffy noch im Gebäude war, und beschloß, in der Redaktion nachzusehen, bevor sie ihre Bestellung aufgab.
Als Fenn am nächsten Morgen aufwachte, wußte er sofort, daß er einen Fehler gemacht hatte. Als er sich letzte Nacht schlafengelegt hatte, hatte ihn, der eigentlich vollkommen ruhig sein müßte, eine nicht näher benennbare Angst erfaßt, die an seinem Hirn zu nagen schien. Er hatte sich den gestrigen Tag in allen Einzelheiten ins Gedächtnis gerufen. Alles schien äußerst zufriedenstellend abgelaufen zu sein. Er hatte seine Mission im Studio mit kühler Gelassenheit durchgeführt; er hatte sehr gut zu Abend gegessen, wenig getrunken, viel gefickt und Sonia mehr oder weniger erledigt zurückgelassen. Eigentlich war alles perfekt gelaufen. Doch als er schließlich eingeschlafen war, hatte sich seine Unruhe nicht gelegt, war im Gegenteil in der Nacht noch größer geworden, so daß er sich jetzt nicht erfrischt, sondern unerträglich angespannt fühlte.
Er stand auf, zog sich an und machte sich einen sehr starken Instantkaffee. Er setzte sich an den Tisch und holte seinen Plan hervor. Zum x-ten Mal ging er ihn sorgfältig durch. Er war sich sicher, daß ihn das Mädchen an der Rezeption aufgrund der Schlägermütze und des Schnurrbarts nicht wiedererkennen würde. Sonia, die einzige, der das möglich wäre, war nicht im Gebäude gewesen. Obwohl er nicht im Vorstrafenregister stand und seine Fingerabdrücke nicht aktenkundig waren, hatte er Handschuhe getragen: Sicherheit stand bei ihm an erster Stelle. Was hatte er also vergessen? Nichts. Warum dann dieses überwältigende Gefühl der Angst?
Als er darauf stieß, schien es ihm so offensichtlich. Es traf ihn wie ein heftiger Schlag aus dem Hinterhalt oder wie eine kalte Dusche. Er konnte sich nicht rühren. Er saß einfach da, während er den Schlag zu verkraften suchte. Er war verloren. Aufgeschmissen. Schlimmer noch, er stand kurz vor der Festnahme. Denn sobald Sonia das Band hörte, würde sie seine Stimme wiedererkennen. Das Ausmaß seiner Dummheit war fast mehr, als er ertragen konnte. Wieso hatte er nicht daran gedacht? Er ballte die Faust und schlug sich immer wieder gegen die Stirn, denn er hatte das Bedürfnis, dieses schwache Hirn zu zerstören, das ihn so schnöde im Stich gelassen hatte.
Und sie hatte seine Telefonnummer. Einmal hatte er sie vom Münzfernsprecherin der Eingangshalle aus angerufen, und um weiter schwafeln und ihn bezirzen zu können, hatte sie ihn zurückgerufen. Damals hatte er sich darüber keine Gedanken gemacht. Münzfernsprecher waren nicht im Telefonbuch aufgeführt, deshalb würde sie seine Adresse nicht herausfinden. Doch das würde der Polizei gelingen. Sie müßten jetzt schon benachrichtigt worden sein. Es war fast halb drei.
Er mußte bis zum Mittag geschlafen und dann länger an seinem Tisch gesessen haben, als ihm bewußt war. Er erhob sich und begann, wie wahnsinnig im Zimmer herumzulaufen. Selbst wenn Sonia ihn nicht verpfeifen wollte, würde sie sich selbst verraten, sobald sie das Band hörte. Er klammerte sich an diesen Strohhalm. Vielleicht würde sie allein sein, wenn sie es zum ersten Mal hörte. Sie hatte
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