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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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ihm erzählt, daß sie manchmal Antwortbriefe tippte, die Rosa zuhause auf Band gesprochen hatte. Vielleicht hatte Rosa den Recorder einfach weiterlaufen lassen, ohne das Band zurückzuspulen. In dem Fall hätte sie die Nachricht noch nicht erhalten und die Polizei nicht informieren können. Es war eine kleine Chance. Natürlich könnte Sonia es selbst der Polizei gemeldet haben, aber das hielt er für unwahrscheinlich. Sie wüßte, daß ein solcher Anruf das Ende ihrer Beziehung bedeuten würde. Sein Kopf schmerzte von den vielen Faustschlägen und den wirren Spekulationen.
      Die Vorstellung, daß Sonia ihn in der Hand haben könnte, verursachte ihm Übelkeit. Sie würde sich an ihn klammern und jammern und Andeutungen über Flitterwochen, dreiteilige Anzüge und, das war am widerlichsten, Babys fallen lassen. Und hinter ihren Worten würde dieser andere, unausgesprochene Hinweis liegen, der fast eine Drohung darstellte. Nein. Das würde er nicht verkraften können. Er würde sich einfach aus dem Staub machen müssen. Andere Leute taten das auch. Er würde sich in einen Zug setzen und in eine andere Stadt fahren. Nach Birmingham oder vielleicht nach Bristol. Er würde sich schon irgendwie durchschlagen. Er könnte irgendeinen Gelegenheitsjob annehmen. Und eine andere Frau finden, die ihn vergötterte und ernährte. Das wäre keine Schwierigkeit. Aber oh! - die schwarze Welle der Enttäuschung kam wieder hoch und drohte, ihn zu überrollen er müßte seinen großartigen Plan fallenlassen. Rosa Gilmour würde ungeschoren davonkommen. Aber das brauchte ja nicht immer so zu bleiben. Er war jung. Seine Bandaufnahme würde bald in Vergessenheit geraten. Und dann würde er zurückkommen. Und zuschlagen.
      Hastig zog er eine Reisetasche aus Leinen unter seinem Bett hervor. Zuerst packte er ein halbes Dutzend seiner kostbarsten Bücher ein; darauf legte er seine neue Kombination und etwas Unterwäsche. Dann zog er den Mantel an und suchte sein gesamtes Geld zusammen. Er beschloß, von der Paddington Station einen Zug in westliche Richtung zu nehmen, soweit zu fahren, wie er mit seinen elf Pfund kam, und den Rest der Strecke nach Bristol per Anhalter zurückzulegen. Er verließ sein Zimmer und entdeckte, daß die Tür zur Feuertreppe abgeschlossen war. Er würde sich einfach auf sein Glück verlassen und die Treppe benützen müssen.
      Er war drei Stufen hinuntergegangen, als das Telefon klingelte. Mr. Christoforou ging durch die Eingangshalle. Er nahm den Hörer ab. Das Glück, das ihn den ganzen gestrigen Tag begleitet hatte, schien ihn heute nur noch höhnisch anzugrinsen. Er stellte seine Tasche hinter sich außer Sichtweite auf dem Treppenabsatz ab und machte Anstalten, sich zurückzuziehen, doch es war bereits zu spät.
      Mr. Christoforou, dessen Gestalt sich gegen das strahlende Lächeln und die glänzenden, herabhängenden Früchte des karibischen Posters abzeichnete, hielt ihm den Hörer entgegen.
      »Hey«, rief er. »Es ist für Sie.«
     
     

* 5
     
    »Was sitzt mitten in Paris und wackelt?«
      Kathy meinte: »Den kenn' ich schon.«
      »Stimmt ja gar nicht. Aber ich hab' sowieso Mom gefragt.«
      »Ich weiß mehr, als alle anderen glauben, was ich weiß, weil ich erst sieben bin.«
      Rosa suchte nach einem geeigneten Satz, um mit Leo ein Gespräch anzufangen. Nachdem er im Auto die Nachrichten gehört hatte, war er besorgt nach Hause gekommen, hatte sich aber angesichts ihrer stoischen, fast optimistischen Gelassenheit bald wieder beruhigt, die während des Mittagessens mit Duffy und den Rest des Tages, unterstützt durch einige Gänge zum Weinregal, vorgehalten hatte. Doch im kühlen Morgenlicht fühlte sie sich weitaus weniger zuversichtlich und suchte nach Mitteln und Wegen, sich Mut zu machen.
      »Für den letzten Satz würde ich dir nicht einmal zwei von zehn Punkten geben. Was die Satzstruktur in grammatischer Hinsicht angeht, war er ein absolutes Tohuwabohu. Mom - was sitzt mitten in Paris und wackelt?«
      Ihre Sorge um die Kinder hatte sich als ziemlich unnötig erwiesen. Kathy schien glücklicherweise nicht zu begreifen, was los war, und Guy fand alles sehr spannend und schlug ihr vor, Verbindung mit der CIS aufzunehmen.
      »Ich weiß es nicht. Was ist es?«
      »Der Eiffelturm.«
      »Mein Gott - den kannte ich schon«, sagte Kathy.
      »Stimmt ja gar nicht. Du weißt ja nicht einmal, wo Paris liegt.«
      Der Wein hatte Rosa träge gemacht. Sie hatte einen

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