Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
Vom Netzwerk:
fast wahnsinnig gemacht, und sie hatte versucht, sich allein auf den Weg zur Polizeistation zu machen. Da hatte er einen Nachbarn gebeten, auf die Kinder aufzupassen.
      Rosa versuchte langsamer und ruhiger zu atmen. Sich zu beruhigen. Nach kurzer Zeit stand sie auf. Die plötzliche Bewegung schreckte eine Möwe auf, die ihr mit einem grellen Kreischen fast ins Gesicht geflogen wäre.
      Der Eingang der Polizeistation lag an einer Seite des Gebäudes oberhalb einiger Steinstufen. Im Gebäude war es warm, fast dunstig. Ein an einem Tisch sitzender Sergeant wußte gleich, wer sie waren.
      »Wo ... wo ist er?«
      »Im Verhörzimmer, Mrs. Gilmour. Möchten Sie eine Tasse Tee, bevor Sie hineingehen? Es ist eine kalte Nacht.«
      »Nein, danke.«
      »Dann vielleicht hinterher?«
      »Das wäre sehr nett. Wie heißt er?«
      »Das will er nicht sagen. Auf jeden Fall ist er ein seltsamer Vogel.«
      Rosa meinte, daß sie seinen Namen wissen müsse. Wie sollte sie ihn sonst anreden können? Dann fiel ihr plötzlich auf, wie unangemessen ihre Sorge um eine Frage der Etikette war, und sie lächelte. Ein junger Constable mit einem Notizbuch in der Hand hielt ihr die Tür auf. Das Verhörzimmer war am anderen Ende eines kurzen Flurs. Der Constable trat beiseite und öffnete ihr die Tür, so daß sie den Raum als erste betreten konnte.
      Sogleich ließ ihre Angst nach und machte einem Erstaunen Platz. Ein kleiner Mann, der hinter einem Plastiktisch saß, erhob sich mit einer höflichen Verbeugung. Ihr erster Eindruck war, daß er von Kopf bis Fuß mit Federn bedeckt war. Beim zweiten Hinsehen differenzierte sie diesen Eindruck. Er trug eine Fliegerkappe, die er auf solche Weise mit einer Vielzahl von Federn beklebt hatte, daß sie sich nach innen bogen und sich wie Farnwedel um sein Gesicht legten; dazu trug er eine Lederjacke, die ihm viel zu groß war und äußerst gekonnt mit weiten Federn in strahlenden Farben bemalt war. Seine Hose war aus einem gelben, ungleichmäßig gemusterten Plastikmaterial und sehr eng und vermittelte so den Eindruck, daß er auf dünnen, hornartigen Beinen stand. Die kleinen schwarzen Schuhe waren mit einem Klauenmuster verziert. Selbst seine Gesichtshaut wirkte wie von einer Gänsehaut überzogen und erinnerte mit ihrer leicht bläulichen Farbe an ein soeben gerupftes Huhn, das auf einer Platte serviert wird. Seine großen runden Knopfaugen funkelten. Er strahlte sie an und kam auf sie zu.
      »Mrs. Gilmour. Endlich treffen wir uns.«
      Schnell trat der Constable zwischen sie.
      Rosa sagte: »Ist schon in Ordnung. Er ist harmlos.« Eine Welle der Enttäuschung brach über sie herein, spülte alle anderen Emotionen hinweg und ließ eine große und tödliche Leere zurück. Ihre Stimme klang schleppend. »Er ist einer meiner Stammhörer. Ich erkenne seine Stimme wieder. Sie ähnelt der auf dem Band keineswegs. Er ist nicht der Mann, den Sie suchen.«
      Als sie aus dem Verhörzimmer zurückkamen, war Leo in heller Aufregung. Er beschimpfte die Polizeibeamten, weil sie sich nicht das Band von der Polizeistation in Southampton besorgt und die Stimme mit der des Festgenommenen verglichen hatten. Die Polizisten blieben gelassen und sagten, für sie habe ein Geständnis den Vorrang. Auf der Fahrt nach Hause unterdrückte er seine Wut; sie zeigte sich nur in seiner beherrschten Fahrweise, doch als sie sich schlafenlegten, spürte Rosa sie in jeder Bewegung seiner Hände und seines Körpers. Zum ersten Mal konnte sie es kaum abwarten, daß sie aufhörten, Liebe zu machen.
      Danach war sie aufgestanden, hatte sich einen Bademantel übergezogen und war zu den Kindern hinübergegangen. Kathy schlief tief und fest, hatte ihr erhitztes Gesicht ins Kopfkissen gedrückt und den Daumen noch immer auf ihrer Unterlippe liegen. Guys Federbett war auf den Boden gerutscht, und er lag, einen gestreiften Arm unter die Brust geschoben, in einer unbequemen Haltung da. Am Morgen würde er ein Kribbeln im Arm spüren. Behutsam hob sie ihn hoch, zog seinen Arm unter seiner Brust hervor und deckte ihn zu. Er murmelte schläfrig vor sich hin, wachte aber nicht auf. In dem Moment spürte sie, daß ihre Liebe zu ihren Kindern felsenfest und unerschütterlich war. Das würde sich zumindest nicht ändern. Das war etwas, auf das sie zählen konnte. Alles andere schien in Auflösung begriffen zu sein, sich auf beunruhigende Weise von ihr weg und auf sie zu zu bewegen.
      Dinge, die sie für

Weitere Kostenlose Bücher