Der neue Herrscher
Strohlagern ausschliefen.
»Niemand soll sagen, daß Shallad Luxon die Gesetze der Gastfreundschaft nicht achtet«, rief Luxon. »Kommt zu mir in den Palast. Und wo sind die beiden anderen Schiffe, die euch begleiten?«
Dunkelrot, mit den quer verlaufenden Mustern grüner und gelber Ornamente, war das langärmelige und bodenlange Gewand Quarons. Um das linke Auge Yzindas ringelte sich, obwohl die Augen stark und dunkel geschminkt waren, eine kunstvoll gemalte Schlange, deren Maul auf einen zierlichen roten Punkt der Stirn deutete; es war eine achtungsvoll hergestellte Narbentätowierung. Sie sah ein wenig aus wie ein drittes Auge. Darüber ringelten sich einige feuchte Locken schwarzen Haares. Auch auf Quarons Stirn befand sich eine solche Markierung. Luxon war sicher, Abgesandte einer unbekannten, großartigen Welt vor sich zu haben.
»Nicht jedes Schiff, das man zu sehen glaubt«, erwiderte Quaron, der Zaketer, ausweichend, »ist auch wirklich. Reden wir über die Neue Flamme und den Lohn, den wir durch die unendlich lange Reise endlich verdient haben.«
Die Haut Quarons war bronzefarben, das Gesicht der jungen Frau mit den weißen, bauschigen Hosen war rötlich. Luxon zeigte in die Richtung des Hafentors und dachte über die nichtssagende Antwort des Zaketers nach.
»Ein Anfang und eine Begrüßung voller Rätsel«, sagte er schließlich. »Im Palast, wo ihr sehen werdet, wie Logghard seine Gäste verwöhnt, sprechen wir weiter.«
»Wir werden den Weg zu finden wissen«, sagt die mandeläugige Schönheit mit anmutiger, dunkler Stimme. Luxon gab seinen Männern mit den Augen einen Wink. Sie wendeten die Pferde und ritten in scharfem Trab zurück zum Palast.
Ein Schiff von dreien, voller geketteter Ruderer und nur von zwei Fremden besetzt, zwei fehlende Schiffe, Fremde aus dem fernen Westen, angeblich Pilger, die von Logghards großer Bedeutung gehört hatten, ein Mann, der wie ein Priester wirkte und sagte, daß es im Westen ein riesiges Reich gäbe, ähnlich dem Shalladad?
Ein Berg aus Rätseln und Geheimnissen.
Shallad Luxon beschloß, jedes Wort und jede einzelne Beobachtung mit scharfem Mißtrauen zu unterstreichen. Zumal deswegen, weil Quaron überdies die Aura eines Magiers ausstrahlte.
*
Gegen Mittag war es, als sie auf einer kleinen Terrasse des Palasts standen. Voller schweigender Ehrfurcht blickte Quaron hinüber zur Lichtsäule der Neuen Flamme und sagte mit harter, fordernder Stimme:
»Wann werde ich diese Stelle mit meinen Füßen betreten können? Wer beschreibt meine Verblüffung, als ich sehen durfte, daß Logghard nicht mehr von den Dunkelmächten belagert wird?«
»Bis zum Reich der Zaketer…«
»… dessen Gesandter ich bin. Und Yzinda, eine Coltekin aus unserem Volk, hat trotz des dritten Auges dies alles nicht gewußt.«
»… bis zu eurem großen Reich scheinen sich die Nachrichten nur langsam fortzupflanzen. Der Sohn des Kometen hat die Dunkelmächte kraftvoll zurückgeschlagen. Ich durfte ihm ein wenig dabei helfen, bei aller Bescheidenheit«, schloß Luxon und versuchte, Yzindas Aufmerksamkeit zu erregen. Die junge Frau mit dem begehrenswerten Körper und dem seltsamen Auftreten forderte ihn heraus.
»Und wo finde ich das Auge des Lichtboten?« fragte Quaron und schüttelte seine Lichtglocke. Dies war, wie er ausgeführt hatte, ein magisches Gerät, das einer etwa handgroßen Glocke ähnelte, aber an einem Stiel und mit der Öffnung nach oben getragen wurde. Aus dem Innern des Trichters ertönte ein klirrendes, klingendes Rasseln.
»Mitsamt dem Sohn des Kometen ist auch das sogenannte Auge verschwunden!« gab Luxon zur Antwort. Schlagartig packte eine starke Erregung den Fremden. Sein langgezogenes Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck der Enttäuschung. Er starrte Yzinda an, die unter seinen Blicken zusammenzuckte.
»Dann ist es also wahr!« entfuhr es ihm.
»Du brauchst nicht an meinen Worten zu zweifeln«, gab Luxon zurück. Auf der Terrasse standen einige Magier und betrachteten schweigend den Abgesandten des Zaketer-Reiches. Auf der Brust, unter dem kurzen Umhang, trug er einen goldenen Panzer, der das Bildnis des Lichtboten zeigte. Aber welch ein Unterschied! Das Bild war grimmig, fast fratzenhaft verzerrt, und überdies war es umgeben von Sonnensymbolen und runenartigen Glyphen.
Aus dem Hintergrund sagte einer der Magier, unverkennbar zurückhaltend:
»Für jeden Fremden, selbst für große Frauen und Männer unseres Volkes, es ist nichtratsam, den Lichtvorhang
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