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Der Novembermörder

Der Novembermörder

Titel: Der Novembermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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der Kaffeebecher auf die Tastatur gefallen. Zum Glück war kein Kaffee mehr drin, aber die gesamte aktuelle Einweisungsliste ist verschwunden. Ich kriege nur noch die vom April dreiundneunzig auf den Schirm! Mag der Teufel wissen, auf welche Taste ich gekommen bin. Vielleicht ja auch auf mehrere gleichzeitig. Verdammter Mist! Die Gräfin liegt auf zwei eins«, sagte sie im gleichen Atemzug.
    Es dauerte einen Augenblick, bevor die verwirrte Irene begriff, dass sie eine Antwort auf ihre Frage bekommen hatte.
    »Die Gräfin«, das musste wohl Sylvia von Knecht sein. Und »zwei eins«, das war sicher im zweiten Zimmer, erstes Bett.
    Sie klopfte leise an die Tür, die mit einer verblichenen, kaum noch erkennbaren Zwei markiert war, bevor sie eintrat. In dem Bett direkt an der Tür lag eine alte, ausgemergelte Frau und starrte mit leerem Blick an die Decke. Ihre gelbe Haut schien fest über den Schädel gespannt zu sein, ohne irgendwelche Muskulatur dazwischen. Ihr fehlten die Zähne, die Lippen waren eingefallen und ließen den Mund wie einen kleinen Strich erscheinen. Ohne ein einziges Mal zu blinzeln lag sie regungslos da und starrte ins absolute Nichts. Durch ein Nasenloch war eine Sonde eingeführt. Sie war an der Wange mit Pflaster festgeklebt, damit sie nicht herausrutschte.
    In der hinteren Ecke am Fenster saß Sylvia von Knecht. Es war kein Licht eingeschaltet im Zimmer. Eine graue Nachmittagsdämmerung war bereits ins Zimmer gekrochen und verbreitete ein unwirkliches Dunkel. Das Einzige, was im Zimmer leuchtete, waren Sylvias Haare, die dick, schulterlang und platinblond waren. Sie sah aus wie eine ätherische Elfe auf ihrem Stuhl, in einem dunklen Kostüm mit weißer Seidenbluse. Ihre Hände hatte sie auf dem Schoß gefaltet. Die kleine zerbrechliche Frau saß vollkommen still und sah Irene an.
    »Sind Sie die von der Polizei?«
    Ihre Stimme klang angenehm mit einem kaum hörbaren finnland-schwedischen Akzent, aber der Tonfall war schneidend. Irene fühlte sich wie ein Schulmädchen, das eine Entschuldigung wegen Zuspätkommens von zu Hause vorzeigen musste. Sie nickte und wollte sich gerade vorstellen, als Sylvia weitersprach: »Huss war das, nicht wahr? Warum kommen Sie zu spät?«
    »Inspektorin Irene Huss. Ich habe den ganzen Vormittag einige Zeugen vernommen, um Fakten und Informationen zu sammeln. Das hat sich hingezogen.«
    Sie dachte gar nicht daran, sich zu entschuldigen! Sylvia von Knecht sagte tonlos: »Henrik holt mich in einer halben Stunde ab. Hier bleibe ich keine Nacht länger. Zuerst wollten sie mich in ein Zimmer mit vier Betten legen. Nie im Leben, habe ich gesagt. Und dann haben sie mich hier reingelegt, zu diesem Zombie da.«
    Mit einer gezierten Geste zeigte sie auf die Frau im Nachbarbett.
    »Nun ja, die ist nicht besonders gefährlich. Sie hat sich seit mehreren Jahren nicht mehr bewegt und nichts gesagt, hat das Personal mir versichert. Sie soll zurück in ein Pflegeheim, sobald da wieder Platz ist. Sie wird mit dem Schlauch durch die Nase zwangsernährt. Der geht wohl direkt in den Magen. Das ist wirklich eklig, aber es ist auch nicht so schlimm, denn ich habe sowieso keinen Appetit. Aber den Nachmittagskaffee will ich noch abwarten«, sagte sie.
    Irene nahm Anlauf, um die Vernehmung von Sylvia von Knecht einzuleiten. Schnell begann sie: »Wir versuchen ein Motiv zu finden, das hinter dem Mord an Ihrem Ehemann liegen kann, und …«
    Sylvia von Knecht unterbrach sie: »Woher wissen Sie, dass es ein Mord war?«
    Sie hatte offensichtlich nach dem Telefongespräch am Vormittag darüber nachgedacht. Irene nahm sich die Zeit, die Fakten zu berichten, die bis jetzt zusammengetragen worden waren. Während des ganzen Berichts saß Sylvia von Knecht stumm da, die Hände auf dem Schoß gefaltet und den Kopf leicht gesenkt. Das Haar fiel wie ein Vorhang vor ihr Gesicht. Irene konnte ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen. Als sie fertig war, hob Sylvia ihren Kopf. Tränen standen ihr in den Augen und ihre Stimme zitterte vor Erregung, als sie sagte: »Dass so etwas unsere Familie treffen kann. Das ist widerwärtig! Ich weigere mich, es zu glauben. Wer sollte Richard ermordet haben? Warum?«
    »Das sind genau die Fragen, auf die wir eine Antwort suchen. Frau von Knecht …«
    »Sagen Sie Sylvia, so uralt bin ich ja nun noch nicht.«
    Uralt war sicher das Letzte, was einem bei ihrem Anblick einfallen würde. Laut den Dokumenten sollte diese Frau einige Jahre über fünfzig sein, aber sie sah keinen

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