Der Novembermörder
nehmt ihr mit mir Kontakt auf. Wir treffen uns alle wieder um acht Uhr am Montagmorgen. Den Bereitschaftsdienst am Samstag übernimmt Tommy, das Back-up macht … Irene. Sonntagsdienst hat Hans. Back-up macht … mache ich selbst.«
Irene musste zugeben, dass ihr das ganz gelegen kam. Dann hätte sie am Sonntag frei. Und am Samstagabend würden Krister und sie sich einen richtig gemütlichen Abend machen. Herrlich. Plötzlich fühlte sie, wie müde sie war.
Abgesehen von Sammies Freudensprüngen und Jubelgebell war es vollkommen still im Haus, obwohl es erst kurz nach zehn Uhr war. Sein Fell wurde schon wieder ziemlich lang, es war Zeit, es schneiden zu lassen. Aber das musste warten, bis die Ermittlungen beendet waren. Oder zumindest bis sich die Lage etwas beruhigt hatte. Sie fühlte einen Stich schlechten Gewissens. Sammie war ein lebhafter Hund, aber keiner hatte mehr richtig Zeit für ihn. Alle schoben zu viel Arbeit, Schule und Freizeitaktivitäten vor. Sicher, er hatte seine Hundefreunde bei der Tagesmutter. Um ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen und ihm etwas Gutes zu tun, drehte sie mit ihm noch eine Abendrunde.
Von außen sah sie, dass in Katarinas Zimmer Licht brannte. Wahrscheinlich las sie noch oder sie war mit eingeschalteter Lampe eingeschlafen. Irene würde sie ausschalten, bevor sie selbst schlafen ging.
Eigentlich war Kristers Arbeitsrhythmus nicht schlecht. Er arbeitete donnerstags immer spät, bis Mitternacht. Und dann am Freitag oder Samstag auch. Jedes dritte Wochenende hatte er ganz frei. Als die Zwillinge noch kleiner waren, hatte Irenes Mutter sich zur Verfügung gestellt, wenn sich ihre Dienstpläne und Überstunden überschnitten hatten. Aber jetzt waren die Mädchen groß, und die Oma hatte in den letzten drei Jahren nicht mehr oft kommen müssen. Die Zeit arbeitet für alle Kleinkindeltern.
Sie schmunzelte vor sich hin, in Gedanken und Erinnerungen versunken. Deshalb war sie vollkommen unvorbereitet, als Sammie plötzlich losbellte und einer Gestalt entgegensprang, die sich in den tiefen Schatten der Garagenwand drückte.
KAPITEL 9
»Guten Morgen meine Liebe. Du siehst aus, als habe dich gerade ein Zehntonner überfahren.«
»Danke, mein Schatz. Genau solche Kommentare bringen gute Laune für den ganzen Tag!«
Wütend riss Irene ihm das Duschhandtuch aus der Hand, mit dem er sich gerade abtrocknen wollte. Mit einem schnellen Wurf schmiss sie das Handtuch unter die noch laufende Dusche. Auch eine kleine Rache ist eine Rache. Auch wenn es vollkommen kindisch war. Krister lachte verärgert auf.
»Aha. So ein Morgen ist das also. Kriegst du deine Tage?«
Da platzte sie.
»Nein, aber ich habe in den letzten Tagen über fünfzig Stunden gearbeitet! Und Jenny hat mir gestern noch den Rest gegeben!«
»Ach, was?!«
»Ach, geh doch dahin, wo der Pfeffer wächst!«
Wütend lief Irene in die Dusche. Als sie sich umdrehte, sah sie noch, wie Krister ihr Handtuch nahm und pfeifend das Bad verließ. Jetzt hatte sie gar kein Handtuch. Es gab einfach keine Gerechtigkeit auf dieser Welt. »Just one of those days«. Hatte nicht Frank Sinatra das gesungen? Ach, es war ja auch scheißegal, welcher blöde Typ das gewesen war. Das war ein verdorbener Tag, noch bevor er überhaupt angefangen hatte. Nach dem Duschen fühlte sie sich etwas besser, war aber immer noch ausgesprochen streitlustig. Nicht Krister war ihr Hauptgegner, aber er würde sein Fett auch noch abkriegen. Zuerst einmal wollte sie sich Jenny vornehmen.
Die Tochter saß nicht beim Frühstück.
»Wo ist Jenny?«, fragte sie.
»Sie sagt, sie ist krank«, erklärte Katarina. Sie saß versunken in die Titelseite der Morgenzeitung. Die Schlagzeile vor der Nase fragte sie: »Mama, warst du dabei, als sie den verbrannten Typen gefunden haben?«
Krister hatte seinen Rechthaberischen.
»Wenn er verbrannt war, konnten sie ihn ja wohl schlecht finden.«
»Haha. Wie witzig. Korinthenkacker«, lautete der Kommentar der Tochter.
Irene wandte sich Katarina zu.
»Nein, den Mann, der im Feuer umgekommen ist, habe ich nicht gesehen. Zum Glück! Aber was meinst du damit, dass Jenny krank ist?«
»Das musst du sie wohl selbst fragen. Nicht mich. Ich bin nicht krank!«
Katarina guckte sie wütend an. »Just one of those …« Irene seufzte. Und beschloss, ihre Taktik zu ändern. Man kann sich nicht mit der ganzen Welt anlegen. Mit einem müden Seufzer erzählte sie also: »Das liegt sicher an gestern Abend. Ich bin kurz nach zehn noch
Weitere Kostenlose Bücher