Der Novembermörder
sympathisches Lachen.
»Nein, nein, ich arbeite bei einer Computerfirma. ›Fem Små Hus‹ ist ein gemütliches Restaurant in der Gamla Stan. Ich lade Sie ein«, erklärte sie.
Als wenn sie gute Freundinnen wären. Zu ihrer Überraschung merkte Irene, dass ihr der Gedanke an ein gemütliches Essen mit Mona Söder gut gefiel. Obwohl die Einladung vielleicht als Beamtenbestechung angesehen werden konnte? Das Risiko bestand, da war es wohl besser selbst zu zahlen.
»Kennen Sie Stockholm?«, fragte Mona Söder.
»Ja, ich habe ein Jahr lang dort gewohnt, während meiner Ausbildung in Ulriksdal. In der Tomtebogatan in der Innenstadt.«
»Dann gehen Sie zur Österlånggatan. Die geradeaus weiter, dann kommen Sie direkt zu dem Restaurant. Es liegt an einer der Querstraßen zum Wasser runter, Nygränd.«
»Das werde ich schon finden.«
Sie versicherten sich gegenseitig, dass es schön sein würde, sich in knapp fünf Stunden zu sehen. Irene warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Nur noch eine Stunde bis zur Abfahrt des Zugs. Ihre Mutter hatte versprochen, nachmittags zu Jenny und Katarina zu fahren. Krister wusste Bescheid.
Hatte sie etwas vergessen? Ihr fiel nichts ein. Sie steckte ihren Kopf durch die Tür des Zimmers des Kommissars, um sich zu verabschieden, aber er war nicht da.
Nach der umfangreichen Renovierung vor einigen Jahren konnte sich Göteborgs Hauptbahnhof wirklich sehen lassen. Dunkles, glänzendes Holz für die Wände, Bänke und Pfeiler gaben eine Atmosphäre wie von der Jahrhundertwende. Aber immer noch floss der gleiche Strom von Reisenden, hingen angetörnte Junkies und schlafende Alkoholiker auf den Bänken herum. Und die Schlange vor dem Fahrkartenschalter war die Gleiche, auch wenn sie nunmehr mittels kleiner Wartenummern und digitaler Bildschirme über den einzelnen Schaltern dirigiert wurde. Eine Glastür trennte die geduldig Wartenden von den Leuten in den Wartesälen und auf den Bahnsteigen.
Irene brauchte fast eine halbe Stunde, bis sie ihre Fahrkarte endlich hatte. Sie musste sich sputen und in voller Fahrt zu dem glänzenden, blau-silbernen Schnellzug sprinten.
Es war das erste Mal, dass sie sich in einem dieser neuen Schnellzüge befand. Noch bevor sie sich gesetzt hatte, musste sie feststellen, dass sie vollkommen fehl am Platze war. Sie hatte weder Kostüm an, noch hochhackige Schuhe, keine Aktentasche oder ein Laptop. In ihren schwarzen Jeans, ihrer wattierten Popelinjacke und ihrem roten Wollpullover fühlte sie sich wie ein Außenseiter. Eine Dame in einem maskulin gehaltenen grauen Kostüm mit dezentem Karomuster, Ton in Ton mit dem frisch geschnittenen Pagenkopf, schaute abweisend über den Rand ihres Lesebrille, als Irene sich ihr gegenüber hinsetzte. Das einzige Gepäck, das Irene dabei hatte, war eine gelbe Plastiktüte vom Zeitschriftenkiosk mit Süßigkeiten und Zeitungen. Da sie gar keine Handtasche besaß und auch nie eine besessen hatte, verstaute sie das meiste, was sie so für ihr tägliches Leben brauchte, in den Jackentaschen. Weshalb diese ziemlich unästhetisch ausbeulten. Sie beschloss, so zu tun, als hätte sie ein Faxgerät in der rechten Tasche und einen tragbaren Computer in der linken.
Sie schenkte der Dame in dem Kostüm ein strahlendes Lächeln und setzte sich. Lächeln ist die effektivste Art, die Leute aus der Fassung zu bringen. Demonstrativ schlug sie ihre GT auf und las über ihre eigenen und die Versuche der übrigen Ermittlungsgruppe, den Fall von Knecht zu lösen. Noch wussten die Zeitungen nichts über das Verschwinden von Pirjo Larsson oder darüber, dass von Knecht noch einen Sohn hatte. Zu dessen Mutter sie auf dem Weg war, fünfhundert Kilometer weit, um mit ihr essen zu gehen.
Nach einer Viertelstunde schlief die Inspektorin hinter ihrer Zeitung ein.
Ihr Mund war ganz trocken. Nicht nur das sagte ihr, dass sie geschnarcht hatte. Die Kostümdame schräg gegenüber grinste schadenfroh. Irene beschloss, dass sie diese Frau nicht ausstehen konnte. Also schoss sie von neuem ein strahlendes Lächeln ab. Die Graugetönte kräuselte ihren Mund und versank wieder in ihren Notizen. Es war fast ein Uhr. Irene hatte Kaffeedurst und Hunger. Sie öffnete ihre frisch gekaufte Dose Coca-Cola und aß ein Daim. Sie musste sich ihren Hunger für das Essen aufbewahren. Es war ein richtig erfrischendes Gefühl, einfach so in die Hauptstadt zu fahren, vollkommen unerwartet. Gleichzeitig musste sie zugeben, dass ihre Neugierde wuchs. Was war es, was Mona
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