Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
diesem Augenblick kam ein Mönch am anderen Ufer vorbei. Masamune rief ihn an und hielt Sanfte Hände weiterhin neben dem Schwert seines Schülers in den Fluss.
Nachdem sie ein paar höfliche Worte gewechselt hatten, fragte der Mönch Masamune, ob er eine Stelle kenne, wo er den Fluss überqueren könnte, denn er sei recht tief und nicht einfach zu durchschwimmen. »Ich fürchte nein«, antwortete Masamune. »Aber bitte bleibt noch eine Weile und richtet über einen Wettkampf zwischen mir und meinem Lehrling. Welches dieser Schwerter würdet Ihr als das mächtigere bezeichnen?« Der Mönch kniete sich ans Ufer und beobachtete, wie Zehntausend Winter Frösche, Fische und Blätter zerteilte, während Sanfte Hände nur leichte Wirbel im Wasser hervorrief. Hinter Zehntausend Winter zog sich eine immer wieder aufblühende Blutspur den Fluss entlang, als wären rotseidene Bänder an der Klinge befestigt.
»Dieses Schwert ist das bessere«, sagte der Mönch schließlich und deutete auf Sanfte Hände. »Das andere ist ein brutales Schwert, das nur zum Töten taugt, und wahllos obendrein. Es zerteilt einen Schmetterling ebenso bereitwillig, wie es einem Menschen den Kopf abschlagen würde. Dieses Schwert jedoch« – er zeigte auf Sanfte Hände – »ist umsichtig. Dies ist ein Schwert, das zaudern würde, ehe es etwas zerschlägt, das unschuldig ist oder grausame Behandlung nicht verdient.«
Muramasa schnaubte verächtlich, zog Zehntausend Winter aus dem Fluss und schob es in die Scheide. »Mein Meister hat einfach ein Schwert mit stumpfer Klinge geschmiedet«, sagte er. »Das könnte jeder vollbringen.«
Daraufhin wirbelte Masamune plötzlich herum und schwang Sanfte Hände in einem weiten Kreis. Die Klinge drang durch den Stamm einer mächtigen Eiche hinter ihnen, so breit wie zwei Männer, als bestünde der Baumstamm aus Wasser. Masamune steckte das Schwert in die Scheide, ging dann um den Baum herum und drückte ganz sacht dagegen. Die Eiche fiel mit einem lauten Krachen quer in den Fluss – der Stamm war glatt abgetrennt. Der Mönch verneigte sich und gelangte über die neue Brücke ans andere Ufer, wo die beiden Schwertschmiede standen, der eine mit etwas röteren Wangen als der andere.
Daimyō Oda blinzelte, und Itō wurde klar, dass er sich mit seiner Antwort zu viel Zeit gelassen hatte. Ein Schwert des Friedens oder ein Schwert des Blutes? Wenn er »Frieden« sagte, würde er damit der Legende über seinen Meister und dessen Meister treu bleiben, denn hatte Masamune mit dem Schwert des Friedens nicht den Wettkampf gewonnen? Und hatte Muramasa nicht in den Jahren darauf den Stil seiner Schmiedekunst verändert, um seine Klingen umsichtiger zu machen? Andererseits war Daimyō Oda ein ruhmreicher Feldherr und für seine Kriegs- und Fechtkunst berühmt. Er könnte es als Beleidigung empfinden, wenn man ihm ein friedvolles Schwert gab. Aber es als Klinge des Blutes zu bezeichnen könnte den Daimyō möglicherweise sogar noch mehr beleidigen, denn als Zen-Buddhist sollte er gar niemanden töten.
Itō holte tief Luft. »Es ist weder das eine noch das andere, mein Fürst. Oder vielmehr, es ist beides. Dieses Schwert wird sein, was immer Ihr wünscht. Wenn es Euer Wunsch ist zu töten, wird es töten. Wenn es Euer Wunsch ist, gerecht zu sein, wird es gerecht und achtsam sein.« Itō war stolz auf sein Handwerk und sah keinen Grund, jemanden über seine eigenen Fähigkeiten zu belügen. »Es ist das großartigste Schwert, das ich je geschmiedet habe.«
Nobunaga brummte, hob die Klinge an und musterte den schimmernden Stahl. Er warf die Waffe leicht in die Luft und drehte sie prüfend in der Hand. Dann fuhr er ohne Vorwarnung herum und enthauptete den Gefangenen, der mitten im Raum stand. Der Körper des Mannes sackte zu Boden. Der Kopf prallte auf und hüpfte mit überraschend lautem Rumpeln bis zur Wand. Als er liegen blieb, starrten die Augen Itō an. Der Schwertschmiedemeister sah sie mehrmals blinzeln, obwohl der Kopf so weit entfernt vom Körper lag. Blut schoss aus dem Hals. Ein dünner Speichelfaden hing an der Unterlippe. Dann erstarrten die Lider, und die leeren, glotzenden Augen blieben mit einem teils schockierten, teils hinnehmenden Ausdruck auf Itō gerichtet.
»Scharf genug ist es«, bemerkte Daimyō Oda. »Wie viel willst du dafür?«
Itō blickte sich hektisch um, doch wohin er auch schaute, der Blick des abgetrennten Kopfes schien ihm zu folgen und ihn herauszufordern, eine akzeptable
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