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Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)

Titel: Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Lake
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schwieriger Schuss, aber ich kann es.«
    Shūsaku nickte. Tarō gefiel seine Offenheit, und sein Vertrauen in Tarōs Meinung. »Also schön«, sagte er. »Der Bogen.«
    Kawabata winkte einen der Jungen aus der Menge herab. »Du, hol einen kleinen Reiterschild.« Der Junge verschwand in einer Höhle. Es entstand ein langer, stiller Moment, während dessen Tarō den Blick über die erwartungsvolle Menge und das kahle Rund der Felswände schweifen ließ. Dann kam der Junge keuchend wieder herbeigerannt, mit einem runden Holzschild von etwa einer Elle Durchmesser. Er reichte ihn Kawabata.
    Der legte seiner Frau eine Hand auf die Schulter, und wieder sah Tarō sie zusammenzucken. Kawabata hielt einen drallen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht an. Sie blickte mit großen Augen nervös auf. »Da es dir ja so wichtig ist, dass ich auf den Fürsten Endō höre«, sagte er, »solltest du vielleicht den Beweis für das Können seines jungen Schützlings liefern. Du hättest doch nichts dagegen, nicht wahr? Ich bin sicher, der Junge ist ein hervorragender Schütze. Immerhin sagt das Fürst Endō.«
    Die Frau zögerte. »Wie du wünschst, verehrter Ehemann«, sagte sie schließlich.
    Nun trat ein dicker Junge etwa in Tarōs Alter aus der Menge hervor. Tarō erkannte an der Ähnlichkeit der Gesichtszüge sofort, dass dies Kawabatas Sohn war. »Ist das wirklich nötig, Vater?«, fragte der Junge. » Warum schickst du sie nicht einfach alle fort?«
    »Ich tue mit meiner Frau, was mir beliebt«, erwiderte Kawabata. »Dazu ist die Liebe ja da, nicht wahr?« Er wandte sich seinem Sohn zu und lächelte. »Du würdest sie nicht schützen wollen, wenn du gesehen hättest, wie sie vorhin dem Fürsten Endō schöne Augen gemacht hat  – als sei er ein Samurai zu Pferde und sie ein hingerissenes Bauernmädchen.«
    Der Junge sah seine Mutter mit einem harten, ausdruckslosen Blick an und trat zurück. » Wie du meinst, Vater.«
    »Halt ihn so, genau hier, über deinem Bauch«, sagte Kawabata und hielt seiner Frau den Schild hin, die ihn mit zitternden Händen ergriff. Er zeigte ihr, wo er ihn haben wollte  – vor der Brust, so dass sowohl ihre Kehle als auch ihr Unterleib ungeschützt waren. »Da hinüber an die Wand«, sagte er und deutete auf die andere Seite des Kraters. Tarō schnürte eine scheußliche Übelkeit den Magen zu, als hätte eine geisterhafte Hand seine Eingeweide gepackt. Kawabata deutete hinter Tarō. »Und du, dort hinüber, auf die andere Seite. Wo du hereingekommen bist. Du hast einen Schuss, um den Schild zu treffen.«
    Shūsaku warf Tarō einen weiteren forschenden Blick zu, doch Tarō nickte nur. Jetzt war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Und selbst wenn er aufgab, was dann? Er konnte nicht zurück in die Täler, wo Männer wie Kira sich an seine Fersen heften würden  – der dünne, grausame Samurai, der den alten Bauern wegen etwas Honig aus einem Baum getötet hatte.
    Der Schuss musste ihm einfach gelingen.
    Einfach.
    Er wandte sich um und sah ein schiefes Lächeln auf Kawabatas Gesicht. Wenn Tarō die Frau verfehlte … Nun, dann war er eben noch nicht gut genug, um in den Klan der Ninja aufgenommen zu werden. Aber wenn er den Schild verfehlte und die Frau traf … Aus dieser Entfernung würde der Pfeil gewiss nicht tief genug eindringen, um sie zu töten. Allerdings wäre damit jede Chance gestorben, dass man Tarō je in diesem seltsamen Dorf akzeptieren würde.
    Tarō erreichte den Eingang zu der großen Höhle, drehte sich um und hob den Bogen an. Er nahm einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn sorgfältig an die Sehne. Einmal, zweimal, dreimal zielte er, spannte die Sehne und spürte, wie die Muskeln in Armen und Brust sich anspannten, wie straff die Sehne wurde und wie flexibel und stark sich das Holz an seinem Körper bog. Er atmete tief ein  – hielt den Atem an. Eine Bewegung der Brust oder des Zwerchfells im falschen Augenblick, und der Schuss könnte danebengehen. Es war besser, ganz still zu sein, still wie der Tod.
    Er sah, wie Heikō ihm zuwinkte, dann die Handflächen zusammenlegte und mit geschlossenen Augen eine Pantomime von Frieden und Ruhe vorspielte. Er grinste.
    Er konnte es schaffen.
    Tarō zielte direkt auf das Gesicht der Frau  – er musste die Entfernung kompensieren, aber es fiel ihm trotzdem schwer, etwas so Kaltes zu tun; Tränen liefen ihr über die Wangen, und er konnte sie gerade noch von hier aus erkennen  – und ließ los. Der Pfeil sauste

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