Der Novize des Assassinen: Roman (German Edition)
Namens gehört. Wovon sprach ihr Vater nur?
»Woher wisst Ihr, dass der Junge ein Vampir ist?«, fragte der geheimnisvolle Gesprächspartner ihres Vaters. »Seid Ihr sicher, dass er bei Nacht kommen wird?«
» Ganz sicher«, entgegnete ihr Vater. »Meine Ninja haben gesehen, wie er auf dem Hügel in Shirahama verwandelt wurde. Sie berichten, er habe sich von zwei Handspannen Stahl direkt durch den Bauch wieder erholt.«
» Und Ihr seid sicher, dass der Ninja die Verwandlung des Jungen geheim hält?«
»Ja. Er fürchtet sicher, dass Fürst Tokugawa ihm nie verzeihen wird, weil er seinen geheim gehaltenen Sohn in einen Vampir verwandelt hat, statt ihn einfach nur zu retten, wie ihm befohlen wurde.«
»Da hat er wohl recht.«
»Natürlich. Aber darum geht es nicht. Der springende Punkt ist, dass Tokugawa seinen Sohn für tot hält. Er hat bereits einen seiner Söhne getötet und den anderen zu mir geschickt. Den letzten auch noch zu verlieren, kann er nicht hinnehmen. Wie ich Tokugawa kenne, wird er nicht ruhen, ehe unsere Situation wieder ausgeglichen ist.«
»Das bedeutet?«
»Er wird Hana ermorden.«
Hinter der Tür erstickte Hana ein Keuchen.
Kapitel 38
Tarōs Atem drang in einem Schwall aus seiner Lunge, den er nicht als Schrei erkannte. Er rannte über den Kraterboden, und Shūsaku rannte ebenfalls …
Er erreichte sie Augenblicke nach Shūsaku und wenige Momente vor Kawabata, der schwerfällig hinter ihm dreinkeuchte. Er ließ sich noch im Rennen auf die Knie fallen und vom eigenen Schwung zum Körper der Frau tragen, wobei er schmerzhaft über den Boden schrammte. Sie saß mit dem Rücken an die Felswand gelehnt, lächelte und hielt den Schild in den Händen. Sie reichte die runde Zielscheibe Shūsaku. Ihr angespanntes Gesicht glättete sich vor Erleichterung, und ihre Mundwinkel hoben sich zu einem Grinsen. Immer noch liefen ihr die Tränen übers Gesicht.
Shūsaku hielt den Schild hoch über seinen Kopf. Genau in der Mitte steckte der Pfeilschaft, senkrecht zum Holz. Von der Menge war ein kollektives Seufzen zu hören.
»Ihr Götter!«, rief Yukiko aus, so laut wie immer. »Er ist fantastisch! Warum hast du nichts gesagt ?«, fragte sie, während sie zu Tarō eilte. »Da vergeude ich meine Zeit darauf, mit dem Tollpatsch zu ringen« – sie deutete auf Hirō –, »während ich bei dir das Bogenschießen hätte lernen können.«
Hirō wedelte wegwerfend mit der Hand. »Der Bogen erfordert Anmut und Feingefühl«, sagte er zu Yukiko. »Du würdest es nie lernen.«
Sie schlug spielerisch nach seinem Arm, und in Tarōs Brust breitete sich eine warme Freude darüber aus, Menschen an seiner Seite zu wissen – mehr als einen – und einen Platz in der Welt gefunden zu haben. Er lächelte Yukiko an. »Sind wir … Freunde?«
Sie nickte. »Tut mir leid, wie ich vorher zu dir war. Ich war sehr traurig.«
Heikō drückte den Arm ihrer Schwester und lächelte. Dann verneigte sie sich leicht vor Tarō. »Das war großartig«, sagte sie leise. »Ganz gewiss eines Fürstensohnes würdig.«
Tarō errötete.
Kawabata stand mit finsterer Miene in der Mitte des Kraters. Er legte einen Arm um seine Frau, die seinem Blick auswich. Dann deutete er auf Tarō und Hirō und die beiden Mädchen. » Wir wollen alle gemeinsam unsere neuen Lehrlinge begrüßen«, sagte er verdrießlich.
Von den versammelten Leuten waren ein paar nervöse Willkommensrufe zu hören. Die Ninja verneigten sich. Der junge Mann mit dem Speer nickte Tarō zu, und obwohl er nicht lächelte, wirkte die Geste nicht unfreundlich. Tarō hob verlegen die Hand und winkte der schweigenden Menge zu. Dann fiel sein Blick auf Kawabatas Sohn, der ein Stück abseits von den anderen stand. Der Junge war dicklich, und das rote Gesicht war vor Verachtung und Wut verzerrt. Sein Mund, zu einem Ausdruck übertriebenen Abscheus zusammengepresst, erinnerte Tarō an eine geschlossene Muschelschale – rosiges Fleisch, das stellenweise vom Druck weiß verfärbt war. Doch der Schnitt der zusammengekniffenen Augen und das fleischige, weiche Gesicht erinnerten ihn vor allem an etwas viel Näheres . Ja, die Ähnlichkeit zu Kawabata war unverkennbar.
Kawabatas Sohn starrte Tarō voll unverhohlenem Hass an, und Tarō erschauerte – nicht nur vor Kälte. Seine Ankunft im Unterschlupf des Klans hätte nicht viel schlechter laufen können.
Shūsaku wandte sich Tarō, Hirō, Heikō und Yukiko zu. »Kommt mit. Ich zeige euch eure
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