Der Ölhändler und die Blumenkönigin
verlobt hast, und in seinem Zorn und Unmut nicht mehr willig bleiben wollen, uns zu helfen. Das wird ihm dann ein willkommener Vorwand sein, fortzugehen, sich eine Frau zu nehmen und eine eigene Familie zu gründen.«
»Ich habe ihn«, jammerte Dschu Schih-Lao nach einem Seufzer, »wie meinen Sohn behandelt. Nun aber muß ich sehen, daß er so mißraten ist. Ach, der Himmel segnet mich nicht! Er ist ja auch nicht mein eigen Fleisch und Blut. Das hält nie fest genug zusammen! Deshalb mag er wieder gehen!« Mit drei Taels in der Hand schickte er Dschu-Dschung fort, ließ ihn aber auch – was zu seiner Ehre gesagt werden muß – seine Winter- und Sommerkleider und einige Decken mitnehmen.
Da Dschu-Dschung sah, daß er ihn nicht mehr behalten wolle, verbeugte er sich viermal, indem er kniend mit dem Kopf die Erde berührte, und ging laut weinend hinaus.
»Hiao entleibte sich selbst wegen böser Zungen Verleumdung,
Schenn-Schong auch, ein Opfer der Lüge, nahm sich das Leben –!
Wie –? Wenn der leibliche Sohn ein solches Unrecht erleidet,
Soll mich verwundern noch das harte Schicksal der Waise?« –
Als der Vater Dschu-Dschungs, Tjin-Leáng, seinerzeit sich in das Tien-Dschu-Kloster zurückzog, wo er den Weihrauch und die Feuer zu hüten hatte, hatte er seinem Sohne nichts davon gesagt. Dschu-Dschung mietete also, nachdem er das Haus Dschu Schih-Laos verlassen, ein sehr bescheidenes Zimmerchen unter der Dschung-An-Brücke, um seine Decken und sonstigen Habseligkeiten unterzubringen, kaufte sich ein Schloß, um die Tür zu verschließen, und machte sich auf, in den langen Straßen und kurzen Gassen von Lin-An seinen Vater zu suchen. So irrte er ununterbrochen mehrere Tage umher, ohne auch nur die leiseste Spur von ihm zu finden. Ratlos, die Nutzlosigkeit seiner Bemühungen einsehend, gab er das Suchen endlich auf. – Während seines vierjährigen Aufenthaltes im Hause Dschu Schih-Laos hatte er treu und ehrlich gearbeitet und nicht einen Pfennig für sich behalten. Er besaß also nur die drei Taels, welche er ihm beim Abschied gegeben hatte, ein Betrag, der natürlich nicht ausreichte, irgend etwas Vernünftiges anzufangen. Nachdem er hin und her gedacht hatte, fand er, daß ihm doch nur der Ölhandel recht vertraut war; außerdem kannten ihn schon die Ölhändler in der Stadt genau undso, dachte er, wäre es der sicherste Weg, wenn er mit Öl hausieren ginge. Sofort schaffte er sich zwei Ölbottiche und die sonstigen Geräte, die dazu erforderlich waren, an, während er den Rest seines Geldes einer Ölhandlung übergab, um das nötige Öl zu erhalten. In jenem Geschäfte kannte man den jungen Dschu als einen soliden, guten Menschen; ebenso wußte man, daß, während er bisher wegen seiner großen Jugend zunächst im Laden beschäftigt worden war, er heute auf eigene Faust mit Öl hausieren gehen mußte, weil er wegen der Zuflüsterungen des Gehilfen Hsing-Tjüán von seinem Adoptivvater weggeschickt worden war. Und das ging ihnen sehr nahe. Sie waren also entschlossen, ihm zu helfen, wählten das klarste und allerbeste Öl für ihn und gossen sogar noch etwas zu.
Da Dschu-Dschung so vorteilhaft und billig eingekauft hatte, war er selbst auch in der Lage, beim Weiterverkauf das Öl etwas billiger abzugeben, so daß er seinen Vorrat im Vergleich zu anderen Straßenhändlern ganz besonders leicht loswurde und täglich noch einen bescheidenen Gewinn erzielen konnte.
Er sparte am Essen und sparte an seinen sonstigen Bedürfnissen. Dafür kaufte er sich einigeGebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, Kleider und dergleichen, und hütete sich wohl, eine unnütze Ausgabe zu machen.
Nur einen Gedanken trug er im Herzen: Er dachte an seinen Vater und erinnerte sich plötzlich, daß er bis jetzt Dschu-Dschung geheißen habe, während sein eigentlicher Name doch Tjin war.
»Wenn nun mein Vater käme, um nach mir zu suchen, hätte er doch keinen Anhaltspunkt«, sagte er zu sich und nahm den Familiennamen Tjin wieder an. Dabei muß ich erwähnen, daß, wenn zum Beispiel ein Mann der höheren Klassen seinen früheren Familiennamen wieder annehmen will, er entweder eine Petition an den Thron einreichen oder die Angelegenheit den Ministerien für Kultus und die »Große Lehre« und der Akademie unterbreiten muß, damit seine Urkunden geändert werden. Das weiß jedermann. Will aber ein einfacher Ölhändler seinen alten Namen wieder annehmen –, wer kümmert sich darum? Er hat seine eigene Methode. Da werden einfach auf
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