Der Ölhändler und die Blumenkönigin
schmiedend. »Ist es nicht schade,« sagte er zu sich, »daß ein so schönes Mädchen in ein Bordell fallen muß?«, um gleich darauf im stillen über sich zu lachen: »Wenn sie nicht in das Bordell geraten wäre, wie hättest du, ein Ölhändler, sie sonst zu Gesicht bekommen können?« Nach einer Weile wurde er noch närrischer: »Der Mensch lebt nur ein Leben, und das Gras grünt nur einen Herbst. Wenn ich in enger Umschlingung mit einem so holden Weibe nur eine Nacht verbringen dürfte, würde ich süßen Herzens sterben. Ach, aber ich bin ja nur ein armer Teufel, der sich täglich mit diesen Dingern hier abquältund nur ein paar Pfennige heimbringt. Wie komme ich überhaupt auf so törichte Gedanken? Als ob eine aussätzige Kröte im schmutzigen Wasserloch sich auf einmal einbilden wollte, sie müßte Schwanenfleisch fressen! Wie kann sie das?! Die, mit denen sie verkehrt, sind alle Prinzen und Fürsten. Ich bin nur ein Ölhändler, und wenn ich auch Geld hätte, würde sie mich doch nicht empfangen. Aber, wie ich gehört habe, wollen die Bordellwirtinnen nur Geld haben, und selbst einen Bettler würden sie annehmen, wenn er nur Geld hat. Weshalb soll ich da, ein Kaufmann und anständiger Mensch, fürchten, abgewiesen zu werden, wenn ich bezahle? Wenn nur diese zehn Taels nicht wären! Woher sollen sie geflogen kommen?« – So dachte er auf dem ganzen Weg hin und her. Und nun sagt einmal: Gibt es nicht recht närrische Menschen auf Gottes Erde? Hat da so ein kleiner Krämer kaum drei Taels »Kapital« und will für zehn Taels hingehen und sich von einer berühmten Courtisane Gesellschaft leisten lassen! Ist das nicht ein törichter Frühlingstraum?
Aber ein altes Wort sagt: Wer den festen Willen hat, erreicht am Ende doch sein Ziel. –
Nachdem dieser eine Gedanke von Tjin-Dschung tausendmal durchdacht worden war, kam er zu folgendem Entschluß:
»Von morgen ab legst du täglich das, was dein Geschäftskapital übersteigt, beiseite. Wenn ich jeden Tag auch nur einen Kandareen spare, so gibt das immerhin in einem Jahre die Summe von drei Taels und sechs Cash. Nur drei Jahre, und ich hab's geschafft!
Wenn ich täglich drei Kandareens zurücklege, so brauche ich nur die Hälfte der Zeit. Spare ich aber noch etwas mehr, kann ich's auch ungefähr in einem Jahre fertigkriegen!« –
In solche Gedanken und Erwägungen versunken, war er plötzlich vor seinem Hause angekommen. Fast mechanisch schloß er die Tür auf und trat ein.
Als er daheim war und ihm die Armseligkeit seines Lagers so recht vor Augen trat, stürzte der arme Ölhändler aus der phantastischen Welt, zu der er sich unterwegs emporgeträumt hatte, wieder jäh herab. Niedergeschlagen und traurig, nicht mehr getragen von dem erhebenden Gefühle der Zuversicht, suchte er, sogar ohne gegessen zu haben; sein Lager auf, wo er sich die ganze Nacht unruhig umherwälzte und seineerhitzte Phantasie krampfhaft bemüht war, immer wieder das Bild des Mädchens mit ihrem mondschönen Gesicht und ihrer Blumengestalt heraufzubeschwören und festzuhalten. Wie hätte also der Schlaf kommen sollen, da er sich in einer solchen Erregung befand, daß bald sein Herz ängstlich versagte wie das eines Affen, bald seine Begeisterung und sein Entschluß stark wurde wie ein Pferd!
Als endlich der Morgen graute, erhob er sich wie zerschlagen. Er brachte seine Ölfässer in Ordnung, kochte sein Frühstück, aß ein wenig und machte sich, nachdem er die Tür verschlossen, mit seinem Öl auf den Weg, geradeaus zur Frau Wang. Er wagte aber nicht einzutreten, sondern steckte nur seinen Kopf durch die Tür und schaute sich um. Frau Wang Djiú-Ma, welche eben erst aufgestanden war und noch mit ganz zerzaustem Haar dastand, gab gerade ihrem Boten Weisungen, Reis und Gemüse zu kaufen. Als Tjin-Dschung ihre Stimme hörte, rief er ihren Namen. Sie blickte hinaus, und als sie den Ölhändler Tjin erkannte, sagte sie mit freundlichem Lächeln: »Guter, zuverlässiger Mensch, Sie haben wirklich Wort gehalten«, und forderte ihn auf, mit seinem Ölhineinzukommen. Dann wog sie eine Flasche von mehr als fünf Catty ab und gab ihm sein Geld, das er, ohne um den Preis zu feilschen, nahm. Wang Djiú-Ma sagte also hocherfreut: »Diese Flasche Öl reicht bei uns nur zwei Tage. Wenn Sie immer einen Tag um den andern wiederkommen wollen, werde ich es nicht wo anders holen.« Tjin-Dschung versprach es, nahm sein Öl und war draußen; es ärgerte ihn nur, die Blumenkönigin nicht gesehen zu haben.
Weitere Kostenlose Bücher