Der Ölhändler und die Blumenkönigin
mir immer noch etwas. Aber ich kann unmöglich so kleines Geld ausgeben! Wenn man das tut, wird man von diesen Leuten geringschätzig angesehen. Da ich nun gerade im Laden des Silbergießers bin, will ich mir sie einfach gegen ›Silberschuhe‹ eintauschen. Es sieht auch feiner aus.« Darauf wechselte er zehn Taels in einen schönen großen, vollwertigen »Silberschuh« um, desgleichen einen Tael und acht Cash in einen kleineren Ding, 12 der bis auf ein Wasserspritzerchen jenen Wert besaß, und für den Rest von vier Taels 2 Cash ließ er sich ebenfalls ein kleineres Stück geben, um seine Schuld beim Öllieferanten zu begleichen. Für einige andere Cash erstand er ein Paar Schuhe mit eingelegter Arbeit und helle Strümpfe und versah sich mit einem neuen Wan-Tse-Kleide. Nach Hause zurückgekehrt, wusch er seine Unterkleider so rein, wie er konnte, undkaufte sich dann einige wohlriechende Kosmetika, mit denen er sie parfümierte. Eines schönen klaren Tages beschloß er, sein kühnes Unternehmen durchzuführen. Schon in aller Frühe stand er fix und fertig da: Wenn auch kein reicher, angesehener und mächtiger Gast im Hause der Blumen, so doch ein netter, braver, junger Mann, den man gern akzeptiert! – Nachdem er noch seine Taels in den Ärmel gesteckt hatte, verschloß er die Tür und ging schnurstracks zu Frau Wang, nicht gerade in sehr gehobener und zuversichtlicher Stimmung; war doch die Aufregung, die ihn ergriffen hatte, ganz begreiflich. Vor der Tür des eleganten Hauses angelangt, begann er sich ein wenig zu schämen: »Gewöhnlich bin ich mit meinen Fässern hier, als Ölverkäufer, und heute will ich plötzlich ihr ›wilder Gast‹ sein. Was soll ich nur sagen?« Während er noch gerade unschlüssig und zögernd dastand, hörte er das Geräusch einer aufgehenden Tür, und Wang Djiú-Ma erschien draußen. Als sie Tjin-Dschung sah, fragte sie erstaunt: »Aber, Herr Tjin, wie denn so fein heute und – nicht auf Arbeit? Wohin wollen Sie denn? Was haben Sie nur vor?« Da es schon soweit gekommen war, mußte er sichzusammenreißen. Er grüßte also mit höflicher und förmlicher Verbeugung, so daß die Alte wohl oder übel seinen Gruß erwidern mußte.
»Mich führt nichts anderes her,« stammelte er noch etwas verlegen, »ich bin nur gekommen, Sie zu besuchen.« Die Bordellwirtin, eine alte Frau, die sich im Laufe der Jahre ihre Erfahrung gesammelt hatte, konnte seine Gedanken auf dem Gesicht lesen. Da sie ihn so außergewöhnlich gut angezogen sah, er zudem erklärte, seinen Besuch machen zu wollen, so gehörte schließlich nicht sehr viel dazu, um sofort zu wissen, daß er ein Auge auf eines ihrer Mädchen geworfen haben müßte, um sich eine Nacht mit ihm zu vergnügen oder doch bei einer Tasse Tee mit ihm allein zu sein. »Wenn er auch als Kunde kein großmächtiger Bôdhisattva ist, so kann's doch schon auf etwas Gemüse oder ein paar Krabben reichen, was er einbringt! Und ich sehe nicht ein, weshalb man von ihm nichts verdienen soll, auch wenn's vielleicht gerade nur für etwas Gemüse reicht. Auch nicht zu verachten!« – Sie sagte also, übers ganze Gesicht sehr freundlich lächelnd: »Wenn Sie mich besuchen, Herr Tjin, dann wird gewiß dabei etwas für mich herausschauen, nicht?«
»Ich habe Ihnen etwas zu sagen,« antwortete Tjin-Dschung, »das sich nicht recht über meine Lippen traut. Es ist mir etwas peinlich, den Mund aufzutun.«
»Aber sprechen Sie nur ruhig, Herr Tjin, nichts hindert Sie«, ermunterte Frau Wang und bat ihn, ihr ins Empfangszimmer zu folgen, damit er sich näher erkläre. Obwohl nun Tjing-Dschung von Geschäfts wegen schon viele hundert Male bei Frau Wang gewesen war, so hatten doch die schönen Stühle im Salon noch keine Bekanntschaft mit seinem Gesäß gemacht. Erst heute sollten sie sich von Angesicht zu Angesicht kennenlernen. Als man dort angelangt war, konnte Frau Wang nicht gut die nötige Rücksicht außer acht lassen und forderte ihren Gast auf, auf dem Ehrensessel oben Platz zu nehmen. Dann rief sie nach Tee, welchen nach kurzer Zeit ein Mädchen hereinbrachte. Da es in ihm sofort den Ölhändler Tjin erkannte und sich wirklich nicht erklären konnte, weshalb ihn ihre Herrin so höflich und zeremoniell behandelte, neigte sie ihren Kopf und konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Als Wang Djiú-Ma diese Ungezogenheit bemerkte, sagte sie tadelnd: »Weshalb lachst du? Weißt du denn nicht, wiedu dich vor Gästen zu benehmen hast?« Erst nachdem die Dienerin,
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