Der Ölhändler und die Blumenkönigin
entgegen. Auch Tjin-Dschung hatte sich von seinem Platze erhoben und blieb voller Erwartung stehen. Da sah er Meï-Niáng ganz betrunken, auf eine Dienerin gestützt, hereinwanken, in diesem Zustand ihm doppelt reizvoll und begehrenswert erscheinend. Als sie unter die Tür gekommen war und ihre trunkenen leeren Augen den Schein der Lampen und Lichter im Zimmer, die Becherund Platten mit den Resten von Speisen bemerkten, blieb sie plötzlich mit einer heftigen Bewegung stehen und fragte sofort: »Wer trinkt in meinem Zimmer Wein?« »Liebes Kind«, beeilte sich Wang Djiú-Ma ihr klarzumachen, »es ist ja der Herr Tjin, von dem ich dir neulich erzählt hatte. Er liebt dich schon so lange sehnsüchtig, hat uns bereits auch seine ›Geschenke‹ übersandt. Da du bisher keine Zeit hattest, mußten wir ihn über einen Monat warten lassen. Wie ich wußte, warst du glücklicherweise heute frei und so habe ich ihn hier behalten, damit er dir Gesellschaft leiste.«
»Was ist denn das für ein Herr Tjin?« fragte Meï-Niáng sichtlich unangenehm berührt. »Ich habe noch nie erwähnen hören, daß es unter der Hautevolee Lin-Ans einen Herrn Tjin gibt. Ich werde ihn nicht empfangen.« Darauf wandte sie sich um und wollte gehen. Aber Wang Djiú-Ma öffnete schnell ihre beiden Arme, um sie zurückzuhalten und bat: »Es ist ein so aufrichtiger guter Junge! Ich will dich wirklich nicht mit ihm betrügen!«
Meï-Niáng mußte sich also wohl oder übel wieder umdrehen, und als sie in die Tür getreten war und ihren Kopf erhoben hatte, sahsie auf den ersten Blick, daß ihr dieser Mann bekannt sein müsse; es war ihr aber in diesem Zustande der Betrunkenheit trotz aller Anstrengungen unmöglich, sich auf ihn zu besinnen, und so sagte sie zweifelnd: »Mutter, diesen Mann kenne ich doch –?! Sicher aber ist er kein bekannter junger Herr aus Lin-An, und wenn ich den empfange, wird man mich auslachen.«
»Liebes Kind«, erwiderte Frau Wang, »das ist der Ölhandlungsbesitzer Tjin vom Yung-Djin-Tore. Als wir in der ersten Zeit dort wohnten, wirst du ihn wohl auch einmal getroffen haben und deshalb mag dir sein Gesicht bekannt sein. Du hast dich nicht getäuscht. Weil ich nun gesehen habe, wie aufrichtig und treu er es meint, habe ich's ihm versprochen. Du darfst mich nicht wortbrüchig machen. Liebes Kind, sieh mich an, wie aufgeregt ich bin. Tu mir den Gefallen und behalte ihn diese Nacht bei dir. Ich weiß ja, wie unrecht ich getan habe, aber – –, morgen will ich dich auch um Entschuldigung bitten.« Unter diesen Worten hatte sie bei jedem Satze Meï-Niáng an der Schulter einen Schritt nach vorn gedrängt, so daß diese nicht gegen die Alte ankommenkonnte, und ihr nichts weiter übrigblieb, als das Zimmer zu betreten, wo sie sich dem armen Jungen gegenübersah. –
»Tausendfach schwer ist's, gewiß, zu entrinnen,
Den Bitten der Frau, die dir nahe verwandt.
Aber ein zehnmal noch schwerer Beginnen:
Wenn fort du sollst stoßen die drängende Hand.
Mädchen, und stehen dir auch zehntausend tausend
Wege weit offen, die Welt zu schauen –
Hast du nur einmal dies Haus hier betreten,
Kannst du nicht frei mehr das Leben dir bauen.« –
Tjin-Dschung hatte die ganze Unterredung Satz für Satz gehört, aber in seiner Ungewißheit tat er, als ob er nicht achtgegeben hätte, was da gesprochen wurde.
Nachdem ihm also Meï-Niáng endlich doch den üblichen Gruß geboten hatte, nahm sie neben ihm Platz und betrachtete ihn genau; denn es drängten sich ihr doch viel Zweifel über seine Person im Herzen auf, so daß sie ihre große Unzufriedenheit nicht zu unterdrücken vermochte. Sie hüllte sich also in Schweigen und sprach lange kein Wort. Endlich befahl sie einer Dienerin, warmen Reiswein herbeizubringen und ihn in eine große bronzene Schale zu gießen. Erfreut dachte die Bordellwirtin schon, sie würde sie ihrem Gaste anbieten; aber ihreErwartung wurde getäuscht; denn das Mädchen leerte sie selbst in einem Zuge.
»Aber, Kind«, mahnte Frau Wang, »du bist schon betrunken! Trinke nun nicht mehr so viel!«
»Ich bin gar nicht betrunken«, beharrte Meï-Niáng trotzig und leerte hintereinander noch zehn Schalen. Das war also schon das zweitemal an diesem Tage, daß sie dem Weine so übermäßig zusprach. Dadurch wurde natürlich ihr schon bedenklicher Zustand nicht besser, und als sie selbst fühlte, sich nicht mehr auf ihren Füßen halten zu können, rief sie ihrer Dienerin zu, das Schlafzimmer zu öffnen und die silberne Nachtlampe
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